Der Gottbettler: Roman (German Edition)
Enge zur Mittelstadt zu verteidigen. Und wenn wir diese Verteidiger so weit dezimiert haben, dass die Überlebenden es für klüger halten, das Weite zu suchen, wird die Unterstadt ausgehoben, so dies nicht längst geschehen ist. Die Bewohner der oberen Stadtteile werden sich von ihrer Wehrpflicht freikaufen, so wie es auch in Moina und unzähligen anderen Städten zuvor der Fall war.«
»Die Stadt wird fallen, daran besteht kein Zweifel. Und Ungerechtigkeiten werden beseitigt werden.«
»Reichtum findet immer Wege, sich zu arrangieren. Einer deiner Adjutanten wird hinter unserem Rücken einen Handel mit den Geldsäcken Poitreas abschließen. Wollen wir darauf wetten?«
»Ich habe diese Speichellecker selbst nur ungern um mich.« Metcairn Nife wandte den Kopf und sah seine Linke an. »Aber wir werden ihnen keine Gelegenheit für irgendwelche Ränkespiele geben.«
»Was hast du vor?«, fragte Marmer Dunne.
»Wir tun das Unerwartete.«
»Willst du etwa von der See her angreifen? Das wäre Wahnsinn!« Der Rechte rülpste unterdrückt und hielt sich eine Hand vor den Mund. Er und die Linke ähnelten sich mittlerweile in ihrer Gesichtsfarbe. »Wenn ich nur daran denke …«
»Nein, mein Freund.« Metcairn Nife lächelte. »Wir greifen wie geplant in der Enge der Mittelstadt an.« Er wandte sich wiederum Pae Loriander zu. »Du bist in Nord-Aenas aufgewachsen, nicht wahr?«
»Aufgewachsen bin ich hier, im Heer des Gottbettlers. In Nord-Aenas war ich bloß eine Sklavin und Tochter von Sklaven.«
»Aber du kennst die Gebirge deiner Heimat. Du weißt, wie man sich im Fels bewegt.«
»Natürlich.«
»Dann habe ich einen Auftrag für dich, der dir gewiss Freude bereiten wird. Könntest du dir vorstellen, die Oberstadt mit einigen deiner besten Leute einzunehmen?«
»Du weißt, dass das so gut wie unmöglich ist. Es gibt dort oben unzählige Schluchten und Spalten. Manche von ihnen sind so abgeschieden und so gut im Labyrinth der Schluchten versteckt, dass man sie erst entdeckt, wenn man unmittelbar vor den Zugängen steht.«
»Ich sagte nicht, dass es leicht sein wird.«
»Ich verstehe. Du möchtest das Problem bei den Wurzeln packen.«
»Was ich möchte, steht nicht zur Debatte. Wir sind der verlängerte Arm des Gottbettlers.«
»Ach ja? Warum kümmert er sich dann nie um uns?«
»Ich wäre an deiner Stelle ein klein wenig vorsichtiger mit deinen Worten.«
»Verzeih mir«, sagte Pae Loriander ohne viel Überzeugung. »Aber manchmal macht es mir unser Herr nicht leicht, seine Beweggründe zu verstehen.«
»Vielleicht werde ich sie dir beizeiten erklären«, sagte Metcairn Nife. »Aber jetzt sollten wir uns darauf konzentrieren, diese stolze Steilstadt zu erobern. Also – traust du dir zu, den Auftrag auszuführen?«
Pae Loriander nickte zögernd. Sie zählte auf: »Ich brauche hundert Leute, davon mindestens sechs Hoboken und sechs Zwerge. Keinen Magicae, keine Sibyllen oder Nachtkrappen …«
»Die Flugwesen könnten hilfreich sein und das Gelände erkunden.«
»Du weißt, dass ich ihnen nicht vertraue, und noch weniger in den Nachtstunden.«
»Du möchtest in der Dunkelheit angreifen? Das ist Wahnsinn!«
»Das ist vernünftig, Heerführer. Dann wird niemand mit uns rechnen. Die reichen Händler und die Adligen werden ruhen, ihre Wachen unaufmerksam sein.«
Metcairn Nife überlegte, während eine Woge nach der anderen gegen das kleine Boot schwappte und Wasser ins Innere drang. Weiter draußen türmten sich Wolkenberge über dem Meer. Ein Unwetter kam landwärts, von heftigem Wind getrieben.
»Einverstanden«, sagte er dann. »Du hast freie Hand. Nimm dir, wen du brauchst.«
»Und die Magicae?«
»Ich werde sie dir vom Hals halten. Sie haben genug bei unserem Angriff in der Mittelstadt zu tun. In Poitrea leben gerüchteweise einige sehr fähige Leute ihrer Zunft, und um die werden sie sich kümmern müssen.«
Pae Loriander streckte ihre linke Hand nach ihm aus, wenn auch zögerlich, und Marmer Dunne seine rechte. Beide berührten sie seine Schultern, einem uralten Ritual gemäß. Auf diese Weise schworen sie ihm, dem Heerführer, unabdingbare Treue, wie es jedes Mal vor einer Schlacht geschehen musste.
Metcairn Nife schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Berührungen. Beide fühlten sie sich nicht sonderlich gut an. Seine schwach ausgeprägten Kräfte, die er als Sohn eines Magicus ererbt hatte, ließen ihn auf der einen Seite Abneigung und auf der anderen Furcht erahnen. Die Zeiten,
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