Der Gottbettler: Roman (German Edition)
da er sich auf seinen Rechten und seine Linke hatte verlassen können, gehörten der Vergangenheit an. Sie hatten mit dem Betrug Rudynar Poles ein Ende gefunden.
Der Hügel hieß bezeichnenderweise Galgenberg, und die Obersten Poitreas ließ dort mehrmals im Jahr Volksbelustigungen abhalten. Nun wurde er, wohl erstmals seit geraumer Zeit, zum Schauplatz von Gerichtsverhandlungen, die dazu dienten, der Gerechtigkeit Genüge zu tun.
Metcairn Nife lümmelte auf seinem Stuhl aus Eichenholz herum, dessen Armlehnen in den Köpfen albtraumhafter Gestalten ausliefen. Immer wieder ließ er seine Fingernägel durch das Reißzahngebiss der rechten Figur gleiten. Die Leute, die vor ihm knieten, starrten mit angsterfüllten Blicken zu ihm auf. Er ließ sie Verachtung spüren, auch wenn sie ihm völlig gleichgültig waren. Sie waren die ersten Gefangenen eines gegnerischen Trupps, die seine Leute bei einem Angriff auf die Mittelstadt gemacht hatten. Mitläufer, die kein anderes Leben kannten als das, das sie als tumbe Haudraufs im Sold der Stadt Poitrea zugebracht hatten.
»Sperrt sie in einen Pferch«, sagte er zu einer Ordonnanz. »Sie sollen zu essen und zu trinken bekommen, und ein Feldscher soll ihre Wunden anschauen. Wir werden morgen entscheiden, wie es mit ihnen weitergeht.«
Die Männer wurden aus ihrer knienden Haltung gerissen und weggeführt. Sie interessierten Metcairn Nife nicht weiter. Er war mit den Gedanken bei Marmer Dunne und Pae Loriander. Der Rechte meldete zögerliche Fortschritte beim Vordringen in die Mittelstadt, die großteils dem Einsatz der Magicae zu verdanken waren.
Trotz ihrer Schwächung leisteten Nontwedes Mitstreiter und er selbst hervorragende Arbeit. Ihre fahrende Burg war selbst hier, aus einer Entfernung von mehreren Laufen, als leuchtendes Fanal auszumachen, umtanzt von blauen Elmsfeuern, die immer wieder in die Höhe schossen und seltsame Bilder in den nachtschwarzen Himmel zeichneten. Zwei der Zugochsen, so hatte man Metcairn Nife mitgeteilt, waren mittlerweile verendet, mit vor Angst geweiteten Augen, mit Schaum vor dem Maul. Selbst die mathrominoisch geladenen Siegel rings um die Wohnburg hatten die Tiere nicht vor ihrem grässlichen Schicksal bewahren können.
Pae Lorianders Trupp war in das Klippenland westlich der Stadt vorgedrungen. Sie besahen das Terrain unter der tatkräftigen Mithilfe der nachtsichtigen Mitglieder des Kleinen Volks, während die Hoboken nach Feinden schnüffelten. Es war vorgesehen, dass die Linke kurz vor Sonnenaufgang angriff. Dann, wenn die Aufmerksamkeit ihrer Gegner am geringsten war.
Metcairn Nife war müde. Gern hätte er sich in sein Zelt zurückgezogen, um ein klein wenig Schlaf zu finden. Doch er kannte sich gut genug, um zu wissen, dass er sich bloß herumwälzen und in Gedanken bei seinen Leuten sein würde. Seit Jahren schon träumte er nicht mehr, seit Jahren schon diente er mit all seinem Sinnen und Streben dem Gottbettler.
Tue ich das Richtige? Kann es sein, dass sich unser Herr irrt? Was, wenn es keiner Ordnungsmacht bedarf, um die Bewohner des Weltenkreises vor sich selbst zu beschützen?
Dieser verfluchte Rudynar Pole hatte ihm diese Gedanken eingepflanzt! Ihm waren all die Unsicherheit und die Bedenken zu verdanken, die ihm den Schlaf raubten.
»Sattelt Mimar!«
»Aber Herr …« Ein Adjutant schreckte aus seinem Halbschlaf hoch.
»Tut, was ich sage!«, brüllte Metcairn Nife ihn an. »Ich werde ganz gewiss nicht hier auf meinem immer fetter werdenden Arsch hocken und auf Nachrichten warten. Ich möchte wissen, was dort draußen vor sich geht!«
»Ja, Heerführer.« Der Adjutant wieselte davon und verschwand in der Nacht, in Richtung der Stallungen, gemeinsam mit einem der Pferdearbeiter. Mimar duldete nur wenige Menschen in seiner Nähe, und es war für die Knechte stets eine lebensgefährliche Angelegenheit, das Streitross ihres Heerführers zu satteln und ihm das Kampfgeschirr aufzulegen.
Metcairn Nifes Waffen und der Brustpanzer wurden bereitgelegt. Er achtete kaum darauf. Vor ihm, in der Mittelstadt, loderte nach wie vor blaues Feuer weit in die Höhe. Die Magicae kämpften mit all ihrer Wut und all ihrer Kraft. Die Rache an den Mördern ihres Mitstreiters blieb ihnen verwehrt, also suchten sie nach anderen Möglichkeiten, ihren Zorn zu entladen. Die Söldner Poitreas und die waffenpflichtigen Männer der Unterstadt mussten büßen. So wie es Pae Loriander vorhergesagt hatte.
Metcairn Nifes Gefolgsleute, fast allesamt mit
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