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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Nifes Blick fiel auf eine der jüngeren Frauen. Sie mochte vielleicht siebzehn oder achtzehn sein. Sie wirkte unsicher. Es war ihr anzusehen, dass sie keine Ahnung hatte, was rings um sie vor sich ging.
    »Du da!«
    Das Mädchen erschrak. Zögernd trat sie einen Schritt vor.
    »Was hat dir Panapin als Belohnung dafür besprochen, dass du ihn hierher begleitest?«
    Es dauerte eine Weile, bis sie zu einer Antwort fand. »Er hat mir mein Leben versprochen. Und Freiheit.«
    »Freiheit wovon?«
    »Das sagte er mir nicht.«
    »Du stammst nicht von hier. Dein Dialekt ist schrecklich. Ich würde sagen, dass du aus dem Hinterland der Stadtstädte zugewandert bist. Aus Mirce.«
    Die junge Frau zuckte zusammen, sagte aber kein Wort.
    »Ein Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen kommt in die große, fremde Stadt, auf der Suche nach einem besseren Leben. Womöglich ist sie auf der Flucht vor irgendjemandem. Doch was sie findet, ist ganz und gar nicht das, was sie sich erhofft hat. Stimmt’s?«
    »Ja, Herr«, flüsterte sie.
    »Man hat dir übel mitgespielt. Du hast Dinge erlitten, die du niemals für möglich gehalten hättest, und du hasst deine Existenz.«
    Sie nickte, und Tränen füllten ihre Augen.
    »Dann taucht dieser fischgesichtige Händler auf. Er bietet dir und anderen einen Ausweg, zeigt euch einen Hoffnungsschimmer. Die Freiheit, wie er es nennt. Du ahnst, dass er lügt, doch du möchtest es nicht glauben, denn nur die Hoffnung steht zwischen dir und dem Irrsinn oder dem Tod.«
    Ihr Gesicht verlor alle Farbe, und sie zitterte am ganzen Leib.
    »Ich muss dich leider enttäuschen, Kleines. Freiheit ist ein Gut, das niemand einfangen und erst recht niemand vergeben kann. Freiheit steckt bloß in uns selbst. Lass dir das gesagt sein.« Metcairn Nife beugte sich weit vor und fügte hinzu: »Auch ich bin nicht frei. Mein Käfig mag golden sein, aber er ist immer noch ein Käfig.«
    »Das ist traurig, Herr«, sagte das Mädchen.
    Sie fiel auf die Knie und weinte Rotz und Wasser. Die anderen Frauen wichen verängstigt zurück. Womöglich befürchteten sie, dass Metcairn Nife wegen des unschicklichen Verhaltens des Mädchens die Geduld verlieren und sie alle ebenfalls dem Henker überantworten würde.
    »Diese Frauen dürfen in die Stadt Poitrea zurückkehren«, sagte Metcairn Nife nach einer Weile. »Es steht ihnen allerdings frei, sich dem Tross des Heeres anzuschließen. Diese hier jedoch«, Metcairn Nife stand auf und half dem Mädchen auf die Beine, »bleibt bei mir.«
    Niemand widersprach. Er war das Gesetz, er war Herr über zigtausende Wesen. Nur sein Rechter und seine Linke hatten das Recht, ihm ihre Meinung zu sagen. So waren die Regeln. Man folgte seinen Anweisungen, oder man nahm den Tod in Kauf.
    Die Frauen wurden in aller Stille hinausgeführt, Metcairn Nife sah ihnen hinterher. »Ihr verschwindet nun ebenfalls«, befahl er den zurückgebliebenen Ordonnanzen und Soldaten. »Ich möchte allein mit ihr sein.«
    Schweigend schlossen sich seine Berater und Wächter dem Tross der Frauen an. Zwei Bewaffnete nahmen vor dem Zelt Aufstellung, gut im Licht eines flackernden Lagerfeuers zu sehen.
    Nur das unglückliche, verzweifelte Stück Elend blieb bei ihm. Er betrachtete das Mädchen von oben bis unten. Mithilfe von zwei oder drei Stück Seife würde man unter der Dreckschicht vielleicht ein apartes und hübsches Gesicht zu sehen bekommen. Ihr Körper war schlank, die Hüften ein wenig zu breit für seinen Geschmack, die Brüste zu klein. Die Haare waren stumpf und zerstrubbelt, sicherlich trug sie ganze Heerscharen von widerlichem Getier am Körper. Doch das war nicht alles. Wollte man ein aufrichtiges Lächeln auf dieses verhärmte Gesicht zaubern, musste man sehr, sehr viele Sachen richtig machen und die schlechten Erinnerungen so gut wie möglich aus ihrem Kopf jagen.
    »Wie heißt du?«
    »Gunguelle«, antwortete sie leise.
    »Also schön, Gunguelle. Dann lass mich überlegen, was ich mit dir anfangen soll.«
    Sie war eine Aufgabe, eine Herausforderung. Eine, wie er sie schon seit langer Zeit nicht mehr gehabt hatte.

10. Begegnungen
    Terca erwachte. Ihr Körper schmerzte, sie vermochte sich kaum zu bewegen. Sie hatte sich mit trockenen Herbstblättern bedeckt und Moosflächen darübergelegt. Wie ein Tier, das sich vor den Unbilden der Natur schützen wollte.
    Sie schob die Moosschicht beiseite. Darunter kam blaue Haut zum Vorschein, die von Myriaden von Krabbeltierchen bedeckt war. Die Tierchen suchten nach

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