Der Gottbettler: Roman (German Edition)
Metcairn Nife. »Du wusstest, dass wir die Stadtstädte nicht verschonen würden, schon gar nicht nach dem Tod eines Magicus aus unseren Reihen. Doch du hast die Kunde über unser Nahen nicht an das Gremium der Obersten in Poitrea weitergegeben und dich selbst rechtzeitig in einem sicheren Haus versteckt, um einem möglichen Massaker zu entgehen. Womöglich wartet sogar ein Schiff im Hafen auf dich, sollte es trotz aller Vorbereitungen zu brenzlig für dich werden.«
»Weitsichtigkeit ist eine meiner größten Tugenden, Heerführer.«
»Da magst du recht haben, Händler. Aber was soll ich von einem Menschen halten, der tatenlos zusieht, wie seine Mitbürger untergehen? Der darauf aus ist, aus dem zu erwartenden Chaos nach der Eroberung der Stadt Kapital zu schlagen?«
Erstmals zeigte sich so etwas wie Unsicherheit in Panapins Fischgesicht. Er wirkte verwirrt und verstand nicht, worauf Metcairn Nife hinauswollte.
»Ich halte gar nichts von einem solchen Menschen«, beantwortete der Heerführer seine Frage selbst. »Ich würde ihn als wertlosen Lumpen bezeichnen. Hätte ich Muße und Lust, länger über dich nachzudenken, würden mir sicherlich noch ein Dutzend weitere Bezeichnungen einfallen.«
»Aber, Herr, du verstehst mich falsch …«
»Tue ich das?« Metcairn Nife fühlte, wie sich Wärme in seinem Magen breitmachte. So war es immer, wenn er eine Entscheidung traf, die richtig war. »Ich sehe einen gewissenlosen Verräter vor mir stehen, einen Mann ohne Ehre, der keinerlei Mitleid verdient.«
»Aber, Heerführer! Ich bin als Emissär in dein Lager gekommen, hab Leib und Leben riskiert …«
»Dann hat sich dein Risiko wohl nicht bezahlt gemacht. Wachen!«
Zwei Soldaten stellten sich an die Seiten des Händlers. Einer von ihnen zeigte ein grimmiges Lächeln. Er würde im Lager weitererzählen, was hier vor sich gegangen war, und damit Metcairn Nifes Ruf als Mann, der ehrbares Verhalten über alles schätzte, untermauern. »Der Henker soll sich um diesen Kerl kümmern«, sagte der Heerführer
»Das ist nicht gerecht! Ich bin ein Oberster, ein Hoher Herr der Stadt! Ich genieße Immunität, ich bin unantastbar …«
»Erzähl das dem Mann mit dem Beil. Er wird dir sagen, was er von deiner Unantastbarkeit hält. Abführen!«
Der Händler wollte die Flucht ergreifen. Seine Mimik schwankte zwischen abgrundtiefem Hass auf Metcairn Nife und ebenso tiefer Angst. Die Augen tränten, aus seinem Fischmaul troff Geifer, er zitterte am ganzen Leib, und die Worte, die er hervorstieß, ergaben keinen Sinn. Einer der Soldaten hieb ihm den Knauf seines Schwerts gegen den Hinterkopf, und Panapin sackte wimmernd auf die Knie. Dann wurde er aus dem Zelt gezerrt.
»Herr …« Eine Ordonnanz wollte Metcairn Nifes Aufmerksamkeit auf sich lenken.
»Scht!«
Nach einer Weile erklang ein dröhnendes Lachen. Es war das des Henkers, der sich die Beschwerden des Händlers anhörte. Dann war wieder Stille, und das nächste Geräusch, das Metcairn Nife zu hören bekam, war unverkennbar das eines fallenden Beils.
»An Tagen wie diesen könnte man glauben, dass es tatsächlich Gerechtigkeit gibt«, flüsterte er leise. Doch gleich darauf schalt er sich für sein Tun. Er hatte persönliche Befriedigung darin gesucht – und auch gefunden –, dass er zugleich Ankläger und Richter gespielt hatte. Dies aber stand nicht im Einklang mit den Ideen des Gottbettlers.
Oder?
Was wusste er schon über dieses geheimnisvolle Wesen? Seine Doktrin mochte in klaren und deutlichen Worten aufgeschrieben worden sein. Doch hielt sich der Gottbettler selbst daran, oder hatte er bloß ein Idealbild des Zusammenlebens zwischen den einzelnen Wesen und ganzen Völkern gezeichnet? Was wusste Metcairn Nife schon über die Beweggründe dieses Einen, dem er mit all seiner Kraft und all seinem Verstand diente?
Immer diese Selbstzweifel …
»Herr?«
Metcairn Nife schreckte aus seinen düsteren Gedanken hoch. »Was ist?«
»Die Frauen. Was soll mit ihnen geschehen?«
»Wer von euch wurde vom leider zwischenzeitlich verblichenen Händler Panapin gezwungen, ihn hierher zu begleiten?«
Ein junges Mädchen schob seinen Arm langsam in die Höhe. Andere taten es ihr zögernd nach, zwei von ihnen nahmen sich lange Zeit. Den beiden letzten war anzumerken, dass sie sich in einer Zwickmühle befanden. Sie waren freiwillig mitgekommen, wohl in der Hoffnung, an der Macht teilhaben zu können, die er repräsentierte, wenn sie sich ihm anbiederten.
Metcairn
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