Der Gottbettler: Roman (German Edition)
beschrieben hatte. Teile des Wegesystems waren erobert worden, bald würde man auch die Hochzugeimer unter Kontrolle haben und damit einen weiteren kleinen Vorteil im Kampf um Poitrea erringen.
Vidal sang leise. Das Schwert der Hoffnung forderte weiteres Blut, doch Metcairn Nife widerstand der Versuchung.
Drei Tage. Drei Tage voll Blutvergießen. Erbarmungslos morden, erobern, sich vor einer Übermacht zurückziehen und wieder vorstoßen. Truppen verlagern, frische Kräfte in die Schlacht werfen, die geeigneten Geschosswaffen herankarren und die Verteidiger der Stadt mürbe machen.
Metcairn Nife forderte den Barden auf, ein weiteres schwermütiges Lied aus seinem Repertoire zu singen. Der blinde Kerl namens Hoemax hatte ein außergewöhnlich gut ausgebildetes Organ, doch die Sehnsucht, von der er sang, klang butterschmalzig und … fremd.
»Ich möchte den Rechten sehen!«, verlangte Metcairn Nife.
Eine der Ordonnanzen trat zögernd vor. Wahrscheinlich hatte er beim Würfelspiel verloren und musste darum die schlechte Nachricht überbringen. »Herr, du weißt doch, wie es ist mit dem Hohen Herrn Marmer Dunne«, wisperte der Mann mit zu Boden gewandtem Blick. »Die Schlacht ist geschlagen, und er gibt sich den … Vergnügungen hin.«
»Das ist mir sehr wohl bewusst!« Metcairn Nife hieb wütend auf die Armlehne. »Er hat mir noch immer nicht Bericht erstattet. Ich möchte aus seinem eigenen Mund hören, wie es in der Mittelstadt und ganz unten am Wasser steht. Wenn ihr ihn nicht auftreiben könnt, macht einer von euch Bekanntschaft mit dem Henker!«
Die Männer zuckten zusammen. Die Adjutanten erinnerten sich gewiss noch an diesen lispelnden Idioten, einen Kleinadligen aus Oriath – wie hatte er bloß geheißen? –, einen Speichellecker ohne sonderlich großen Einfluss, an dem Metcairn Nife vor etwa einem Jahr ein Exempel statuiert hatte. Wochenlang war sein Kopf, aufgespießt auf einer der Heeresstandarten, vornweg getragen worden, sodass die Ordonnanzen das langsam verfaulende Fleisch und die riesige Fliegenwolke, die den Schädel umschwirrte, stets im Blick behalten hatten.
»Also? Ich warte!«, brüllte Metcairn Nife und hieb erneut auf die Armlehne. Seine Untergebenen schwirrten davon, rempelten sich gegenseitig nieder und irrten wie eine Hühnerschar auf der Flucht vor dem Fuchs durchs Zelt. Einer nach dem anderen fanden sie den Weg nach draußen, in eine dunkle und feuchte Welt, in der einige dünne Rauchfahnen kerzengerade nach oben stachen. Trotz des grässlichen Regenwetters in diesem grässlichen Landstrich ging kaum ein Lüftchen. Über allem lag der Totengeruch, der sich entlang der Küste ausbreitete.
Der Zeltvorhang schwang zu und öffnete sich wenige Augenblicke darauf gleich wieder. Ein Soldat mit der Hand am Schwert führte eine Gruppe von Gestalten an, die in dicke Gewänder gehüllt waren.
»Bittsteller aus Poitrea, Heerführer«, sagte der Soldat und nahm mit steinerner Miene Aufstellung. »Sie haben um Audienz ersucht.«
»Aus Poitrea? Das ging aber rasch …« Metcairn Nife kannte dieses Prozedere nur zu gut. Während sich verzweifelte Führer der Verteidigungstruppen noch in den letzten Widerstandsnestern verschanzt hielten, auf ein Wunder hofften, die Flucht planten oder an Selbstmord dachten, krochen die Ratten bereits aus ihren Löchern. Vor ihm standen Vertreter jenes Abschaums, den er am meisten verachtete. Angehende Kriegsgewinnler, die sich ihm zu Füßen werfen wollten. Die ihre Heimat verrieten und ihm Geschäfte vorschlugen, um »die Nöte der unschuldigen Bevölkerung zu lindern«.
Kein Wunder, den Truppen des Gottbettlers eilte das Gerücht voraus, dass sie nicht auf die Vernichtung ihrer Gegner aus waren. Metcairn Nife eroberte, um dann neue Strukturen zu schaffen, und bot den Besiegten die Möglichkeit, so rasch wie möglich wieder ihr früheres Leben aufzunehmen, bloß ergänzt um einige Regeln, die der Oberste formuliert hatte.
»Was wollt ihr?«, fragte er barsch.
Der Vorderste der Verhüllten kniete nieder und nahm das Tuch vom Kopf. Er entpuppte sich als alter Mann mit dem Aussehen eines Welses, dessen Barteln ein zahnloses Maul umgaben. »Ich bin Panapin, Hoher Herr, und ich bin dein untertänigster Diener. Ein armseliges Wesen, ein Wurm angesichts dessen, was du repräsentierst, Heerführer.«
»Bescheidenheit mag eine Zier sein, aber zu viel davon vermittelt den Eindruck von Schäbigkeit.«
»Verzeih mir, Hoher Herr.«
»Was willst du? Was wollen
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