Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
Vom Netzwerk:
Gemäuer von der anderen Seite, wo die Küche ein Tor zum Kräutergarten haben muss.
    Angespannt kauere ich neben Yared und Arslan am Durchgang durch das undurchdringliche Gestrüpp aus Christusdorn und beobachte die Erstürmung des Klosters.
    Unbarmherzig brennt die Mittagssonne herab und heizt den trockenen Boden am Hang des Berges Zion auf. Der Schweiß rinnt mir über das Gesicht. Mit dem Handrücken wische ich ihn fort und werfe Yared einen raschen Blick zu. Unter seiner schweren Rüstung und dem mit einem weißen Turban umwickelten Helm schwitzt er noch mehr als ich.
    »Ashadu an la ilaha illa-llaaaaaaah …«
    Arslan berührt Yared an der Schulter und deutet wortlos nach vorn. Die Bewaffneten haben sich zu beiden Seiten des Portals verteilt und winken uns heran. Yared nickt – die beiden verstehen sich auch ohne Worte.
    Er wendet sich zu mir um. »Du wartest hier.«
    »Nein, ich komme mit«, widerspreche ich entschlossen und springe auf. In geduckter Haltung haste ich die zwanzig, fünfundzwanzig Schritte durch das knisternde Gras zum Portal und presse mich gegen die glühend heiße Klostermauer.
    Yared, der hinter mir hergelaufen ist, packt mich an der Schulter und zerrt mich energisch zwei, drei Schritte zurück, während Arslan sich an mir vorbeidrängt. Nach einem besorgten Blick auf mich folgt Yared ihm zum Tor.
    Die Schwalben, die in dem alten Gemäuer nisten, zwitschern aufgeregt. Die Zikaden zirpen. Sonst ist alles ruhig. Die Christusritter haben uns noch nicht entdeckt – so scheint es.
    »Ashadu an na Muhammadan rasulu-llaaaaaaah …«
    Den Gebetsruf übertönt die Glocke des nahen Franziskanerklosters, die die Fratres an das Stundengebet der Sext gemahnt.
    Meine schweißfeuchte Hand krampft sich um den Griff meines Dolches.
    Ob die Ritter Christi in der kleinen Kapelle ebenfalls ihr Chorgebet halten? Trotz meines Zorns über den Mord an Mar Abdul Masih, trotz meiner Angst um den kleinen Elija widerstrebt es mir, einen betenden Mönch zu töten.
    Arslan gibt seinen Mamelucken das Zeichen zum Vorrücken. Lautlos ziehen sie ihre Schwerter und machen sich bereit, das Kloster zu stürmen. Das Leder ihrer Rüstungen knarzt leise. Einer der Kriegssklaven, ein junger Mann mit hellblondem Haar und blauen Augen, wispert leise ein arabisches Gebet. Dann zieht er einen georgischen Kreuzanhänger, den er an einem Lederband um den Hals trägt, unter seiner Rüstung hervor und küsst ihn. Dieser orthodoxe Georgier hat sich offenbar erst vor Kurzem Allah unterworfen. Als er bemerkt, dass Arslan ihn stirnrunzelnd beobachtet, stopft er das silberne Kreuz zurück unter seinen Harnisch.
    Arslan streckt vier Finger der rechten Hand hoch, und vier Bewaffnete verschwinden durch das Portal. Sie werden nur wenige Schritte in den Konvent eindringen müssen, bis sie den verwilderten Kreuzgang überblicken können.
    Ich lausche auf die leisen Schritte, das Knirschen eines Kiesels unter einem Lederstiefel, das Rascheln einer vertrockneten Distel. In der Ferne flappern leise die Dattelpalmen im Garten von Solomons byzantinischer Klosterresidenz Hagia Sion.
    Kein lateinischer Gesang. Kein Chorgebet. Keine panischen Rufe. Kein Kampflärm. Und kein Schluchzen eines verängstigten Kindes.
    Nur tiefe Stille.
    Ich bewege die Finger am Griff meines Dolchs und ziehe die verkrampften Schultern hoch.
    Yared wendet sich zu mir um und legt mir beruhigend eine Hand auf den Arm. Dann blickt er wieder nach vorn. Erneut hebt Arslan die Hand und schickt die restlichen Männer ins Kloster. Nacheinander springen sie auf und huschen mit gezückter Klinge in den schattigen Torgang.
    Yared springt auf und verschwindet mit dem Schwert in der Hand durch das Portal.
    »Bism’Allah!«, flüstert Arslan und folgt ihm.
    Ich husche ihnen nach bis zum Kreuzgang, bleibe neben Yared stehen und deute auf die Tür zum Refektorium.
    Er nickt, hebt vier Finger, sucht mit einem Blick vier Bewaffnete aus und deutet auf die Treppe in den ersten Stock, wo sich die Zellen der Mönche befinden. Ohne ein Geräusch zu machen, hasten die vier Mamelucken die Treppe hinauf. Mit einem Wink wählt Yared vier weitere aus. Sie sollen die Klosterküche und die Pferdeställe sichern. Auf ein Nicken von ihm schwärmen seine Kriegersklaven aus und besetzen lautlos und schnell das Kloster.
    Nein, dies ist gewiss nicht das erste Mal, dass diese Männer ein Kloster stürmen.
    Vorhin hat Arslan mir anvertraut, Yared habe ihm vor einigen Monaten befohlen, ein Kloster südlich von

Weitere Kostenlose Bücher