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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Kairo einzunehmen, um zwölf koptische Mönche vor fanatischen Muslimen zu retten. Ein Imam hatte sie im Namen Allahs in seiner Freitagspredigt aufgehetzt, den Konvent niederzubrennen und die Mönche zu erschlagen.
    Als ich an ihm vorbei zur Kapelle gehen will, packt Yared mich am Arm und schüttelt energisch den Kopf. Ich soll gefälligst im Kreuzgang bleiben.
    Ich nicke wortlos, hocke mich auf die Brüstung zwischen den Säulen, hole Kerze und Feuerzeug hervor und schlage einen Funken in den Zunder, mit dem ich den Docht entzünde. Dann springe ich auf und gehe mit der brennenden Kerze an Yared vorbei zur finsteren Kapelle. Dieses Mal hält er mich nicht auf, sondern folgt mir mit der Klinge in der Hand. Den Blick seiner dunklen Augen, die im Schein der Kerze aufblitzen, kann ich nicht deuten. Ist er zornig, weil ich seinen Befehl missachte?
    Mit der Kerze in der Hand bewege ich mich lautlos vorwärts. Nur das leise Knirschen meiner Schritte ist zu hören. Yared hält sich einen Schritt hinter mir, um mich vor einem Angriff der Christusritter zu beschützen.
    Ein leises Schnarren dringt aus der Kapelle, ein kratzendes Geräusch.
    »Da ist etwas!«, wispere ich, und Yared nickt.
    Mit angehaltenem Atem betrete ich die Kapelle. Unvermittelt bleibe ich stehen. Eine Ratte flitzt fiepend über den Boden und verschwindet in den tiefen Schatten hinter dem Altar.
    Totenstille.
    Der Katafalk ist leer.
    »Rodrigos Leichnam ist verschwunden!« Meine Stimme zittert vor Anspannung.
    Yared nimmt meine Hand und zieht mich aus der Kapelle und durch den Kreuzgang ins Refektorium.
    Es ist verlassen. Die Schlafdecken, Taschen und Truhen der Christusritter sind verschwunden.
    Elija war nie hier.
    Ich knie mich vor das geronnene Wachs, das von meiner hastig gelöschten Kerze auf den Fliesenboden tropfte, als Tristão und sein Schwertbruder Lançarote mich überraschten. Dann blicke ich auf zu Yared, der neben mir stehen geblieben ist. »Sie wussten, dass ich sie gefunden habe. Letzte Nacht haben sie das Kloster verlassen, um sich ein neues Versteck zu suchen. Gott sei ihnen gnädig, wenn sie Elija ein Leid zufügen!« Ich erhebe mich und frage mich verzweifelt: »Wohin haben sie ihn bloß gebracht?«
    Yared nimmt meine Hand, zieht mich an sich und umarmt mich. Zärtlich reibt er seine Nase an meiner Wange und atmet tief meinen Duft ein.
    Wie ich es genieße, mich einen Herzschlag lang an seine Schulter lehnen zu können. Mich in seinen Armen geborgen zu fühlen. Beschützt. Getröstet. Und geliebt.
    »Wir werden Elija finden«, flüstert er und besiegelt dieses Versprechen mit einem Kuss, der aus dem Schwelbrand unserer Gefühle einen Feuersturm entfacht.

· Yared ·
Kapitel 38
    In Yareds Arbeitszimmer in der Zitadelle
    17. Dhu’l Hijja 848, 20. Nisan 5205
    Karsamstag, 27. März 1445
    Fünf Uhr dreißig nachmittags

    Wo bleibt sie denn bloß?, frage ich mich beunruhigt, während ich den langen Papyrus an den Anfang zurückrolle. Über dreieinhalb Stunden ist sie schon bei Uthman und erzählt ihm von ihren Abenteuern in Al-Iskanderiya. Und wenn Uthman sie nun fragt, wonach sie in Jeruschalajim forscht? Und wenn er sie verdächtigt, auf der Suche nach der Tempelbibliothek die Marmorfliese im Felsendom aufgebrochen zu haben?
    Schritte nähern sich.
    Alessandra?
    Ich freue mich darauf, sie …
    Die Tür öffnet sich, und Benyamin betritt mein Arbeitszimmer. Er stellt ein Tablett mit einer Silberkanne mit duftendem Qahwa und drei Gläser neben die Schriftrolle auf meinen Schreibtisch. Dann lässt er sich auf den Sitz mir gegenüber fallen und reißt sich die verhasste Steinkugel vom Hals. »Wenn du mich heute Abend nicht brauchst, würde ich gern in einer Stunde zum Havdala in die Synagoge gehen.«
    »Geh nur.«
    Sein Blick fällt auf den Papyrus. »Was ist das?«
    »Die Baruch-Apokalypse, die vor einigen Wochen aus dem Vatikan gestohlen wurde. Der Patriarch hat ihr die Schriftrolle heute Morgen zurückgegeben.«
    »Darf ich sie lesen?«
    »Sicher.«
    Benyamin zieht die Papyrusrolle zu sich heran und entrollt den ersten Abschnitt. »Baruch ben Nerija«, murmelt er fasziniert, während er sich in die alte Handschrift vertieft und Abschnitt um Abschnitt weiterrollt. Gebannt liest er das, was der Sekretär und Freund des Propheten Jeremia aufgeschrieben hat. Plötzlich hält er inne, liest den einen Absatz zum zweiten, dann zum dritten Mal und rollt dann weiter, um einen Blick auf die nächsten Abschnitte zu werfen. Er blickt auf.

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