Der Gottesschrein
Augen leuchten. Er ist glücklich. So glücklich wie schon seit vielen Jahren nicht mehr.«
Saphira zupft mir die Augenbrauen, um ihnen die sanfte Wölbung einer Mondsichel zu verleihen, und balsamiert mein Haar mit einem nach Ingwer und Zitrone duftenden Öl.
Während Saphira den Lidstrich mit Bleiglanz und die Augenbrauen mit Indigo nachzieht und meinen Wangen mit roter Tonerde und Goldstaub frischen Glanz verleiht – »Rote Rosen blühen auf deinen Wangen«, schmunzelt sie –, betrachte ich mich im Spiegel. Meine Trauer um Niketas ist vergangen. Ich sprühe Funken vor Glück und zittere in Erwartung von Yareds Liebkosungen.
König Salomo hatte recht, als er im ›Lied der Liebe‹ schrieb: Stark wie der Tod ist die Liebe.
Sodann kleidet mich Saphira in Gewänder, die eine Frau nur für ihren Geliebten tragen würde, eine durchsichtige Hose aus hauchzarter Seide und ein Hemd, das nur am Hals verschlossen wird und meine Brüste auf eine sehr erotische Weise mehr enthüllt als verbirgt. Die kühle Seide streichelt meine erhitzte Haut und erregt mich. Sobald Saphira mir in die granatapfelrote Robe geholfen hat, entzündet sie Weihrauch und Dufthölzer in einer Räucherschale, und ich stelle mich mit ausgebreitetem Gewand darüber, um Haut und Seide zu parfümieren.
Dann wickele ich das Templerschwert in ein Damasttuch, verberge es in den weiten Falten meines Gewandes und mache mich freudig beschwingt auf den Weg zurück zu Yared.
Die Tür zu seinem Arbeitszimmer bewachen zwei Mamelucken in Helm und Harnisch und mit gezücktem Schwert – vorhin, als ich mit Tayeb am Arm den Raum verließ, waren sie noch nicht da. Beunruhigt umklammere ich das Schwert und gehe zu ihnen. »Msa al-cher«, wünsche ich ihnen einen guten Abend, und sie nicken mir zu. »Der Emir erwartet mich.«
Als ich an ihnen vorbeigehen will, verwehrt mir der blonde Georgier, den ich heute Mittag im Kloster beobachtet habe, als er das Kreuz küsste, mit seinem Schwert den Eintritt. »Befehl des Emirs.«
Erregte Stimmen dringen durch die Tür, ich kann jedoch kein Wort verstehen – sie reden Tscherkessisch.
»Was ist geschehen?«, frage ich den Georgier.
Er schüttelt unmerklich den Kopf. »Staatsgeschäfte.«
»Wer ist bei ihm?«
»Prinz Fakhr ad-Din Uthman al-Mansur und Prinz Djelal ad-Din Arslan.«
»Seit wann?«
Der Georgier stöhnt. »W’Allah! Ich bitte dich, Contessa Alessandra! Ich darf nichts …«
In diesem Augenblick verlässt Arslan das Arbeitszimmer, aus dem Uthmans Stimme dröhnt. Streitet er sich mit Yared? Scheint so!
Als Arslan mich sieht, bleibt er unvermittelt stehen und schließt leise die Tür hinter sich. »Alessandra! Du bist schön wie der Abendstern am nächtlichen Firmament und überstrahlst alle anderen Gestirne!«, ruft er überschwänglich, um den lauten Wortwechsel aus dem Arbeitszimmer zu übertönen. Nicht nur Uthman erhebt dort seine Stimme, sondern auch Yared. Du lieber Himmel, was ist bloß geschehen?
»Prinz Djelal ad-Din Arslan. Meine herzlichen Glückwünsche zu deiner Ernennung.«
»Ich danke dir«, freut er sich. »Eine Taube brachte heute Nachmittag die Nachricht. Den offiziellen Firman erhalte ich aus den Händen des Sultans, sobald ich nach Al-Kahira zurückgekehrt bin und Prinzessin Yasmina geheiratet habe.«
»Du freust dich, nach Hause zu kommen.«
»Seit vier Monaten war ich nicht in Al-Kahira. In sechs Wochen wird mein erstes Kind geboren – Insh’Allah. Das will ich auf keinen Fall verpassen.«
»Wann wirst du Yasmina heiraten?«
»In drei Wochen, denke ich. Sobald Yared seinen Bund fürs Leben geschlossen hat.«
Seine Worte versetzen mir einen Stich ins Herz.
»Die Vorbereitungen des Sultans für Yareds Hochzeit sind aufwendiger als für einen Feldzug. Kostbare Ehrengewänder, die der Bräutigam, der Dawadar des Reiches, nach eigenem Ermessen verleihen kann. Ein Festmahl im Garten seiner Villa mit Blick auf den erleuchteten Nil. Ein Feuerwerk über den Pyramiden. Der Sultan scheut keine Kosten. Ich habe gehört, dass er Yared weitere hundert Mamelucken schenken will.«
»Du bist jetzt kein Königsmamelucke mehr, sondern ein Prinz von Ägypten. Wirst du bei Yared bleiben, wenn er zum Dawadar ernannt wird?«
»Er hat sehr viel für mich getan, damit ich werde, was ich nun bin. Ich habe ihm die Treue geschworen.« Er holt tief Luft. »Sultan Jaqmaq will mich zum Emir ernennen und nach Assuan schicken. Er fürchtet, der äthiopische Kaiser wolle den Nil umleiten, um einen
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