Der Gottesschrein
Kreuzzug gegen Ägypten vorzubereiten. Ich soll Ahmed Bedlay, dem Sultan von Adal, beistehen, der dem Neguse Negest den Djihad erklärt hat. Sultan Bedlay wird morgen früh, am Ostersonntag, mit seinem Heer Aksum angreifen. Zara Yakob hält sich dort auf, um in der Basilika von Maryam Tseyon Fasika zu feiern, das äthiopische Osterfest.«
»O Gott!«, entfährt es mir. Unruhig umklammere ich das Templerschwert. Dann blicke ich Arslan in die Augen. »Und was ist mit Elija? Haben deine Mamelucken ihn gefunden?«
Arslan schüttelt den Kopf. »Tut mir leid, bisher haben wir die Christusritter nicht aufgespürt.«
Ich nicke stumm.
»Yared hat mir gesagt, dass du morgen früh zur orthodoxen Ostermesse des Patriarchen in die Grabeskirche gehen willst.«
»Das stimmt.«
Arslan wendet sich um. »Ghiorghi!«
Der Georgier schiebt sein Schwert zurück in die Scheide und kommt näher. »Mein Prinz?«
»Imad ad-Din Ghiorghi«, stellt mir Arslan den jungen Mann vor. Unbefangen reiche ich ihm die Hand. Der Mamelucke, der trotz seines Übertritts zum Islam noch immer den Namen des heiligen Georg trägt, des Schutzpatrons christlicher Ritterorden, ergreift sie nur zögernd.
»Der Emir hat befohlen, dass Contessa Alessandra eine Leibwache erhalten soll. Er entbindet dich von deinem Treueschwur ihm gegenüber. Du wirst Alessandras Leben mit deinem schützen.«
Ghiorghi verneigt sich.
Arslan wendet sich an mich. »Yared kann dir Ghiorghi nicht schenken, weil du als Dhimmi keine muslimischen Kriegssklaven besitzen darfst. Ghiorghi bleibt als Mamelucke also Yareds Eigentum, auch wenn er dir die Treue schwört und du über ihn verfügen kannst.«
»Ich verstehe.«
Arslan zieht die Kette mit dem georgischen Kreuz unter Ghiorghis Harnisch hervor. »In Anbetracht der blutigen Ausschreitungen in der Grabeskirche kann Ghiorghi dein Leben nur schützen, wenn du ihm gestattest, dass er dich morgen in die Ostermesse begleitet.«
Ich blicke Ghiorghi in die hoffnungsvoll leuchtenden Augen und nicke zustimmend.
Arslan schiebt das Kreuz zurück unter Ghiorghis Rüstung. »Selbstverständlich nur zu deinem Schutz«, verdeutlicht er.
Trotz meiner Anspannung kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Aus welchem anderen Grund sollte ein frommer Muslim ausgerechnet am Ostersonntag das Grab Jesu Christi aufsuchen wollen?«
Ghiorghi zwinkert mir zu und grinst verschmitzt.
Unvermittelt stürmt Uthman aus dem Arbeitszimmer. Als er mich mit Arslan und Ghiorghi sieht, bleibt er stehen und deutet auf die offene Tür. »Yared erwartet dich.« Dann wendet er sich abrupt ab und rauscht davon.
»Wieso ist er so wütend?«
»Eines der fünf Gläser Raki, die er eben hinuntergestürzt hat, ist ihm wohl nicht gut bekommen«, kommentiert Arslan trocken. »Er wird sich schon wieder beruhigen, wenn ich mit ihm geredet habe.« Er nickt in Richtung der Tür. »Yared hat befohlen, dass ihr heute Nacht nicht mehr gestört werdet. Geh zu ihm, er wartet auf dich.«
Als ich die Tür hinter mir schließe, fällt mein Blick auf drei benutzte Gläser und eine halb leere Karaffe mit eisgekühltem Raki auf Yareds Schreibtisch. Der süßlich herbe Duft der Aslan Sütü, der ›Löwenmilch‹, erfüllt den Raum.
Wie aus Stein gehauen steht Yared am Fenster und blickt hinüber zum nächtlichen Tempelberg, der noch von Fackeln erleuchtet wird. Er lehnt sich gegen den Fenstersims und dreht sich nicht zu mir um. Seine Schultern sind angespannt. In der Hand hält er einen zerknüllten Brief, der von seinen unruhigen Fingern immer mehr zerfetzt wird.
Ein Brief aus Al-Kahira!
Mein Herz krampft sich so schmerzhaft zusammen, dass ich keuchend nach Atem ringe. Ich schlucke die Tränen hinunter und bringe kein Wort heraus. Als ich schließlich das Templerschwert auf seinen Schreibtisch lege und langsam zu ihm hinübergehe, senkt er den Blick, als fürchte er, ich würde ihm ausgerechnet in diesem Augenblick meine Liebe gestehen, ihn berühren, ihn umarmen, ihn trösten. Er ringt mit seinen Gefühlen.
Als ich ihm den zerfetzten Zettel aus der Hand nehme, um einen Blick darauf zu werfen, sieht er mich endlich an. Tränen funkeln in seinen Augen.
Ich kann die tscherkessische Nachricht nicht lesen. »Von Jadiya?«
Er nickt stumm.
»Der Sultan …?«, frage ich bang.
»Es geht ihm gut«, murmelt Yared mit tonloser Stimme. »Er hat einen Herzanfall erlitten, ein Symptom seiner schweren Krankheit. Er lag einen Tag lang in tiefer Ohnmacht. Aber nun hat er sich erholt und
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