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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Ich sehe mich um und entdecke fünf Gänge, die aus der gewaltigen Höhle hinausführen. Aus einem dringt ein schwacher Lichtschimmer.
    Die Mamelucken drängen sich so dicht aneinander, dass sich ihre Schultern berühren. Mit angehaltenem Atem sehen sie zur Höhlendecke hoch und lauschen auf das flatternde Geräusch, das von dort zu kommen scheint. Ich spüre ihre Angst.
    »Fledermäuse«, flüstert Arslan.
    Mein Herz klopft fast schmerzhaft, und meine Nackenhaare stellen sich auf. Ich verabscheue Fledermäuse.
    Arslan weist nach oben. »Tausende von den Viechern hängen an der Decke. Also bewegt euch langsam und bedächtig. Der Boden ist feucht und glitschig. Keine plötzlichen Bewegungen. Und keinen Laut. Wenn die Fledermäuse erschrecken und kreischend aus der Höhle flüchten, sind die Christusritter gewarnt. Y’allah!« Er deutet auf den schwachen Lichtschimmer, der aus einem der Gänge dringt. »Dort entlang!«
    »Komm!«, flüstert Yared und nimmt meine Hand.
    Ein langes Donnergrollen übertönt unsere leise knirschenden Schritte, als wir uns durch die Finsternis vorwärtstasten.
    Die Gänge sind wohl zur Zeit von König Salomo geschlagen worden, als die Steinmetze die Quader für den Tempel brachen. An manchen Stellen wirkt der Fels so glatt und regelmäßig, als sei mit einem Dolch eine Scheibe von einem Stück Ziegenkäse abgeschnitten worden. An einer Stelle ragt ein behauener, jedoch noch unvollendeter Block des ersten Tempels aus der zerklüfteten Decke. Er sieht aus, als würde er sich jeden Augenblick aus dem Gewölbe lösen und mit Donnergetöse herabstürzen.
    Beständig tropft kühles Wasser von der Decke, regnet mir in dicken Tropfen ins Gesicht. Der Boden ist glitschig, und es stinkt so sehr nach Fledermauskot, dass ich unwillkürlich die Luft anhalte und die Nase rümpfe.
    Wenige Schritte vor mir zweigt ein Felsdurchbruch nach links ab, während der breite Gang, in dem wir uns befinden, durch mehrere Höhlen hindurch weiter geradeaus führt. Dort hinten, in einer der großen Nischen, die sich nach Südwesten in Richtung des Heiligen Grabes erstrecken, halten sich die Christusritter offenbar versteckt.
    Arslan deutet auf den Durchlass, hebt drei Finger und tippt den Männern, die er für diese Aufgabe ausersehen hat, wortlos auf die Schultern. Die Kerze wird gelöscht. Timur und zwei seiner Freunde verschwinden lautlos in der Finsternis. Sie werden sich den Portugiesen von der anderen Seite nähern, um ihnen den Fluchtweg abzuschneiden. Dann dringen wir anderen weiter vor.
    Die Luft wird immer kühler und modriger. Wie in einer Gruft!
    Ein Donnerhall zerreißt die nervenaufreibende Stille. Das Gewitter hat Jerusalem erreicht. Die Fledermäuse rascheln und fiepen unruhig. Ein Tier lässt sich fallen, breitet die Flügel aus und dreht eine Runde über unseren Köpfen. Dann verschwindet es lautlos in der Höhle, die Timur und seine Freunde entlanghuschen.
    Abgesehen von dem nervenaufreibenden Geplätscher ist es still.
    Wir tasten uns vorwärts durch die Dunkelheit, vorbei an einem massiven Felspfeiler, den König Salomos Steinbrucharbeiter stehen gelassen haben. Wenig später erreichen wir eine weite Kaverne.
    Unvermittelt bleibt Arslan stehen und zischt leise eine Warnung. So schnell wie möglich verschwinden wir in finsteren Nischen oder ducken uns hinter Felsen.
    Dreißig Schritte entfernt sehe ich Tristãos Silhouette. Er steht am Eingang einer hell erleuchteten Felsnische. Ist Elija auch dort?
    Tristãos Gesicht liegt im Schatten, seine Hand ruht auf dem Griff seines Schwertes. Ich halte den Atem an und spähe um die Ecke des Felsens, hinter dem ich mich verberge. Hat er uns gesehen?
    Atemlose Stille.
    Erschrocken zucke ich zusammen, als die lederne Rüstung eines Mamelucken leise knarzt. Die Felswände werfen das Echo viel zu laut zurück.
    Hat Tristão es gehört?
    Mit gesenktem Kopf verharrt er reglos im Eingang der Nische und lauscht. Als er sich schließlich umwendet, gleitet er auf einem feuchten Felsen aus. Im letzten Augenblick kann er sich festhalten. Dabei schlägt die silberbeschlagene Scheide seines Schwertes mit einem Klirren gegen das Gestein.
    Urplötzlich bricht ein Inferno über uns herein.
    Mit einem schrillen Kreischen lassen sich die erschreckten Fledermäuse von der Decke fallen und flüchten im Tiefflug durch die Höhle auf den Ausgang zu. Eine schwarz schimmernde wogende Masse, die ich im Gegenlicht nur schemenhaft erkennen kann, flattert wie in einem meiner schlimmsten

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