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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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sich die Kante eines für den Tempel zugehauenen Steinquaders in meine Schulter.
    Ich versuche sie abzuschütteln und beuge mich nach vorn. Was ist das? Neben meinem rechten Fuß liegt ein faustgroßer Stein. Ich hebe ihn auf und wiege ihn in der Hand. Er ist schwer genug. Und er hat eine scharfe Spitze. Langsam wende ich mich um.
    »Verdammte Judenhure!«, knirscht Tristão. Ich kann ihn nur schemenhaft erkennen. Er ist nur einen Schritt entfernt. Sein keuchender Atem weht mir ins Gesicht.
    Mit aller Kraft stoße ich mich von der Wand ab, werfe mich mit der Schulter gegen ihn, um ihn zu Fall zu bringen, und schlage mit der spitzen Ecke des Steins auf ihn ein. Dann wende ich mich um, um zum Ausgang zu gelangen. Doch vergeblich!
    Grob packt er mich und schleudert mich zu Boden. Bevor er sich auf mich werfen kann, rolle ich mich hastig zur Seite und springe auf.
    Doch er greift mein langes Haar und reißt mich zurück, sodass ich erneut hinfalle. Ich schlage mit dem Hinterkopf auf den Stein auf, den ich verloren habe, und bleibe einen Augenblick benommen liegen. Grelle Funken stieben vor meinen Augen. Keuchend ringe ich nach Atem. Ich zittere am ganzen Körper.
    Wo bleibt Yared denn nur?
    Tristão ist direkt über mir. Matt schimmert die Klinge seines Schwertes, als er es hochreißt, um mich zu töten. »Stirb, du Judenhure!«
    Schritte hallen durch die Höhle. Tscherkessische Befehle werden gebrüllt.
    Yareds Mamelucken!, denke ich erleichtert. Sie kommen!
    Tristão ist einen Augenblick abgelenkt, und so hebe ich beide Beine und stoße sie mit aller Gewalt gegen seine Knie.
    Stöhnend taumelt er rückwärts gegen die Felswand. Doch er rappelt sich keuchend wieder auf, springt mit einem Satz über mich hinweg und verschwindet in der Finsternis.
    Die Mamelucken stürmen an mir vorbei, um ihn einzuholen.
    Plötzlich ist Yared bei mir. Er kniet sich neben mich und nimmt mich zärtlich in die Arme. »Bist du verletzt?«
    »Nein, es geht mir gut«, beruhige ich ihn. »Was ist mit dir?« Ich taste nach seinem Arm. Sein Ärmel ist blutgetränkt.
    Lässig winkt er ab. »Nicht der Rede wert.«
    Ich glaube ihm kein Wort. Er muss starke Schmerzen haben. »Wo ist Lançarote?«

    Wenig später sitze ich auf einem Stein vor der Grotte des Propheten Jeremia und beobachte im flackernden Licht der Blitze, wie sich Yared neben mir um Elija kümmert. Der Junge hat sofort Vertrauen zu Yared gefasst. Er sitzt auf seinem Schoß, hält mit der Linken das rechte Handgelenk umklammert und lehnt seinen Kopf gegen Yareds Schulter, während der die Wunde versorgt. Elijas Lippen zittern, und in seinen Augen schimmern Tränen, die er, obwohl er Yared gegenüber tapfer sein will, nicht zurückhalten kann. Sie kullern über sein Gesicht und hinterlassen eine feuchte Spur auf seinen staubigen Wangen. Er zieht die Rotznase hoch. Der Kleine ist völlig erschöpft. Und verstört über Lançarotes Tod – Elija hat ihn trotz allem gemocht.
    Er bemüht sich, nicht zu dem Leichnam von Lançarote hinüberzusehen. Der Christusritter liegt blutüberströmt zwischen den Olivenbäumen im trockenen Gras. Gerade eben habe ich ihm die Augen geschlossen und ein Gebet für ihn gesprochen. Morgen werde ich Joachim bitten, die Exkommunikation durch den Papst aufzuheben. Möge Gott sich seiner erbarmen und ihm vergeben!
    Yared legt den verletzten Arm um Elija und drückt ihn tröstend an sich. »Zeigst du mir deine Hand, Krümelchen?«
    Laut poltert der Donner durch den Himmel. Das Gewitter entlädt sich über Jerusalem, doch kein Regen bringt Abkühlung von der glühenden Hitze der letzten Tage. Im Gegenteil – es scheint noch heißer und schwüler geworden zu sein.
    Der Junge hebt die Hand, und Yared öffnet sie behutsam. Mit einem Stück Stoff von seinem Turban tupft er vorsichtig das Blut ab. Zum Vorschein kommt ein dünner Schnitt, der quer über die Handfläche verläuft.
    »Sieht nicht gut aus«, meint Yared ernst und streicht dem Jungen über das Haar. »Tut’s sehr weh?«
    »Mhm«, nickt Elija und kuschelt sich noch ein wenig enger an Yareds Schulter. Mit der Linken tastet er nach meiner Hand. Dann schiebt er sie in meine.
    »Kannst du die Finger bewegen?«, fragt Yared.
    Elija versucht es. »Mhm.«
    »Gut.« Geschickt verbindet Yared die kleine Hand mit einem Streifen Tuch.
    Elija lässt ihn dabei nicht aus den Augen.
    »Sag mal, was hältst du davon, wenn du heute Nacht in einem Bett in der Zitadelle schläfst?«
    Ein glückliches Lächeln huscht über

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