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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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hastig zum toten Rodrigo, der wenige Schritte entfernt im aufgewühlten schwarzen Wasser treibt, und taste nach dem Schwert. Da ist es! Ich stecke den Dolch in meinen Gürtel, ducke mich unter einem Hieb des Assassinos hindurch, packe den Griff der Klinge und reiße die schwere Waffe aus dem Wasser. Dann weiche ich zurück, um den Christusritter von Tayeb wegzulocken, der sich schwer verwundet bemüht, nicht zu ertrinken.
    So schnell wie möglich muss ich Hilfe für Tayeb holen!
    Ich taumele noch einen Schritt zurück. Doch der Christusritter drängt mir nach und steht zwischen mir und der Treppe. Wohin soll ich mich wenden? Durch das aufspritzende Wasser haste ich durch das Hauptschiff der Basilika. Er springt vorwärts, packt mich grob am Arm und schleudert mich ins Wasser. Ich verliere das Schwert, und die Fackeln verlöschen zischend. Schlagartig wird es finster in der Zisterne.
    Ich blinzele in die Dunkelheit. Wo ist er? Da! Ein Plätschern – ganz nah! Sofort springe ich auf und renne um mein Leben durch die undurchdringliche Finsternis des langen Hauptschiffs der Zisterne. Hoffentlich gibt es ein zweites Portal, durch das ich entkommen kann!
    Durch meinen keuchenden Atem und das aufspritzende Wasser kann ich nicht hören, ob er mir folgt.
    Plötzlich spüre ich eine Strömung im Wasser. Ist das ein Zulauf, durch den das Regenwasser von der Tempelplattform in die Zisterne rauscht? Um Gottes willen! Das Wasser steigt! Tayeb wird ertrinken, wenn ich ihm nicht helfe!
    Wenig später erreiche ich eine Treppe. Eine Kaskade flutet über sie herab, und es ist schwierig, gegen die Fluten hinaufzusteigen. Zweimal rutsche ich aus und werde wieder mit nach unten gerissen. Beim dritten Mal schaffe ich es.
    Ich bleibe stehen und lausche. Wo ist der Christusritter? Warum ist er nicht hinter mir? Was hat ihn aufgehalten? Großer Gott! Lebt Tayeb noch?
    Oberhalb der Treppe bleibe ich stehen und strecke die Arme nach beiden Seiten aus. Nichts. Als ich vorwärtsgehen will, stoße ich mit dem Fuß gegen eine Wand. Ein Gang, der sich nach links und rechts erstreckt. Doch wie weit? Wohin soll ich mich wenden? Der Felsendom liegt nördlich von hier – zumindest nehme ich das an. Also nach rechts? Ich weiß es nicht.
    Kurz entschlossen husche ich durch die Finsternis des Korridors, der nach rechts führt, und taste mich durch das entgegenströmende Wasser vorwärts. Ein eisiger Luftstrom weht mir entgegen – ich folge ihm, denn er zeigt mir den Weg nach oben.
    Ich schiebe mich an der Wand entlang. Unvermittelt stößt meine Hand ins Leere. Der Stollen biegt nach links ab und öffnet sich zu einer Höhle. Wie groß sie ist, kann ich nicht erkennen. Ich halte inne und blinzele in die Dunkelheit hinter mir. Falls der Mönchsritter mir folgt, hat er seine Fackel zurückgelassen, damit der Feuerschein ihn nicht verrät. Seine Schritte kann ich ohnehin nicht hören, denn das Rauschen des Wassers verschluckt jedes andere Geräusch.
    Mit dem Feuerzeug schlage ich mühsam einen Funken. Der Zunder glimmt und erhellt die Höhle wenige Schritte weit. Monolithische, aus dem Fels gehauene Säulen stützen eine hohe Decke. Trotz des matten Lichtscheins erkenne ich die verblassten Bilder an den Wänden – schimmernde Cherubim mit ausgebreiteten Flügeln. Das geheimnisvolle Glitzern stammt von einem jahrtausendealten Überzug mit feinem Blattgold, der sich jedoch nur noch erahnen lässt.
    War dieser Saal einst eine Schatzkammer im Tempel Salomos? Bin ich nun direkt unter dem Felsendom?
    Bevor der Zunder verglüht, sehe ich nach, wie viel mir noch bleibt. Nur zwei Zündschwämmchen!
    Dann wird es wieder dunkel.
    Schritt für Schritt bewege ich mich an den bemalten Wänden entlang und suche, im reißenden Wasser immer wieder stolpernd und beinahe stürzend, nach einem Ausgang.
    Der vorletzte Zunder zeigt mir zwei Portale zu Gängen, die sich in der Finsternis verlieren. Aus dem linken strömt das Wasser über eine Treppe nach unten. Der rechte, der auch über mehrere Stufen erreicht werden kann, liegt trocken.
    Ich halte das glühende Zündschwämmchen hoch, um zu prüfen, woher die Luft strömt. Aus dem linken Gang! Ich lasse den Zunder fallen, bevor ich mir die nahezu gefühllosen Finger daran verbrenne. Dann stolpere ich die Stufen hinauf, verschwinde in der rechten Galerie und haste sie so leise wie möglich entlang.
    Es riecht nach trockenem Staub. Ein seltsames Gefühl beschleicht mich, als bewegte ich mich mit jedem Schritt weiter zurück

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