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Der Gottesschrein

Der Gottesschrein

Titel: Der Gottesschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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massive Pfeiler stützt. Eine hohe Galerie umgibt den Innenraum des Felsendoms. Als ich die schwarz-weiß abgesetzten Rundbögen betrachte, denke ich unwillkürlich an die Mezquita, die Moscheekathedrale von Córdoba. Ich habe sie besucht, als ich im Namen des Sultans von Gharnata mit Juan von Kastilien verhandelte. Das war bevor Muhammad unsere Freundschaft durch seinen Verrat an mir zerstörte und ich überstürzt aus Gharnata fliehen musste.
    Noch ganz in meinen traurigen Erinnerungen an Rebekka und Yona versunken, betrachte ich die herrlichen Glasfenster unterhalb der Kuppel des Felsendoms, die das grelle Licht der Blitze nur als mystischen Schimmer ins Innere des Raums lassen, ein Juwel byzantinisch-islamischer Architektur.
    Kostbare Teppiche bedecken die Marmorfliesen rund um den drei Ellen aufragenden Fels Morija in der Mitte des Raums, der keine Moschee und kein Jesus Christus geweihter ›Templum Domini‹ der Tempelritter mehr ist, sondern ein Gebetsraum für Muslime, Christen und Juden.
    Am Hof des Königs von Kastilien erzählte mir Dom Tristão de Castro, ein Christusritter und enger Vertrauter des Großmeisters des Ordem de Cristo, das Kreuz der Unschuld, das er auf seinem Habit trage, sei ursprünglich als Templerkreuz aus dem Grundriss des Felsendoms entstanden.
    Unterhalb der goldenen Kuppel liegt der Berg Morija, der Gipfel einer einst hoch aufragenden Felszinne, die von Dornengebüsch umgeben war. Auf diesem Felsen sollte Abraham Gott seinen Sohn opfern. Und genau hier, auf diesem zerklüfteten Stein zu meinen Füßen, dem höchsten Punkt des Bergs, ließ König Salomo das Allerheiligste errichten.
    Welch ein ergreifender Moment, nach all den Jahren der Sehnsucht nach Israel an diesem heiligsten aller Orte zu sein!
    Doch plötzlich stutze ich und richte mich auf, um besser sehen zu können. Was ist das?
    Auf dem Felsen entdecke ich eine rechteckige Vertiefung, deren Maße genau denen der Bundeslade entsprechen …
    »Allmächtiger Gott meiner Väter!«, flüstere ich bestürzt und lehne mich über das Geländer.

· Alessandra ·
Kapitel 11
    Im Labyrinth des Tempelbergs
    16. Dhu’l Hijja 848, 19. Nisan 5205
    Karfreitag, 26. März 1445
    Drei Uhr dreißig morgens

    Mit zum Kampf erhobenem Schwert watet der Gotteskrieger durch das knietiefe Wasser.
    »Werft die Waffen weg!«
    Plötzlich taucht ein zweiter Christusritter aus den Schatten des Portals auf und kommt die Treppe herunter. Er ist jünger als der erste, vielleicht sechzehn oder siebzehn. Sein schulterlanges Haar ist kastanienbraun, doch seine Augen sind von demselben strahlenden Blau wie die des älteren Ritters. Trotz seiner Jugend ist er eine imposante Gestalt in seinem durchnässten weißen Mantel. Ein Kreuzritter. Ein Glaubensstreiter, bereit, im Namen Gottes zu töten.
    Meine Hand zuckt zum Dolch.
    Tayeb wirft mir seine Fackel zu, zieht sein Schwert und sucht einen sicheren Stand im Wasser der Zisterne. Mit beiden Händen hebt er die scharfe Klinge über seinen Kopf und wartet mit gespannten Schultern auf den Angriff.
    »¡Maldito musulmán! Bastardo de un infiel!«, brüllt der junge ›El Cid‹ auf Kastilisch. Mit wehendem Habit stürmt er die letzten Stufen hinab, drängt sich an dem älteren Mönchsritter vorbei, der ihn noch aufzuhalten versucht – »¡Rodrigo, por amor de Dios!« –, und stürzt sich mit blitzendem Schwert auf Tayeb, der ihn bereits erwartet.
    Während der junge Rodrigo mit verbissenem Gesicht auf den kampferfahrenen Tayeb einschlägt, der seine Hiebe im aufspritzenden Wasser kraftvoll abwehrt, reiße ich meinen Dolch hoch und weiche vor dem Portugiesen zurück, der mich mit seinem Schwert bedroht.
    Im Licht der Fackeln erkenne ich, dass er etwas in der anderen Hand hält.
    Mein Notizbuch! Er hat es in der kleinen Moschee gefunden!
    Der Portugiese presst mir die kalte Klinge an die Kehle und zwingt mich, den Dolch ins Wasser fallen zu lassen. Immer wieder schaut er beunruhigt zu Tayeb und Rodrigo, die miteinander ringen.
    Mit klammen Fingern schlägt er die aufgeweichten Pergamentseiten auf, zwischen denen das Wasser herausrinnt. Meine Notizen, die ich mit einem Silberstift niedergeschrieben habe, sind verblasst, jedoch noch deutlich zu erkennen. Das Templerkreuz neben dem Felsendom ist verschwunden. Das Wasser hat die Tinte aufgelöst.
    »Was hatte das Kreuz zu bedeuten?«, herrscht er mich an. Sein Italienisch hat einen weichen portugiesischen Akzent.
    Ist er Leonardos Mörder?
    Rasch werfe ich Tayeb einen

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