Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
Indes, das sagt er nicht, sondern: »Nicht jeder Bart ist falsch, aber jeder Nigger stinkt. Dieser Bart ist nicht falsch, mein Lieber, und dieser Nigger stinkt nicht. Also kann doch irgendwas nicht stimmen.« Als ich den Roman in den Fünfzigerjahren, drei Jahrzehnte nach seiner Entstehung, las, konnte ein Junge die dramatische Spannung noch spüren, ohne den Rassismus zu bemerken. Heute wäre so etwas unvorstellbar.
    Nach den Maßstäben seiner Zeit war Thomas Henry Huxley ein aufgeklärter, fortschrittlicher Liberaler. Aber seine Zeit war nicht die unsere. 1871 schrieb Huxley:

    Kein vernünftiger, mit den Fakten vertrauter Mensch glaubt, der durchschnittliche Neger sei dem weißen Mann gleich, geschweige denn überlegen. Und wenn dies stimmt, kann man einfach nicht glauben, dass unser Verwandter mit dem vorstehenden Kiefer nach Beseitigung all seiner Behinderungen, wenn er also freie Bahn und keinen Förderer, aber auch keinen Unterdrücker mehr hat, in der Lage sein wird, in einem Wettbewerb, bei dem es um Gedanken und nicht um Bisse geht, erfolgreich mit seinem Rivalen zu konkurrieren, der ein größeres Gehirn und kleinere Kiefer hat. Die höchsten Plätze in der Hierarchie der Zivilisation werden sicherlich nicht in der Reichweite unserer dunklen Vettern liegen. 114

    Dass gute Historiker die Aussagen aus früheren Zeiten nicht nach den Maßstäben ihrer eigenen Zeit beurteilen dürfen, ist eine Binsenweisheit. Wie Huxley war auch Abraham Lincoln seiner Zeit voraus, und doch klingen seine Ansichten über Rassenfragen in unseren Ohren ebenfalls rückständig. Im Jahre 1858 sagte er in einer Diskussion mit Stephen A. Douglas:

    Ich will also sagen, dass ich nicht dafür bin und nie dafür war, in irgendeiner Form die soziale und politische Gleichheit der weißen und schwarzen Rasse herzustellen; dass ich nicht dafür bin und nie dafür war, Neger zu Wählern oder Richtern zu machen, sie in politische Ämter einzusetzen oder ihnen die Ehe mit Weißen zu gestatten; und zusätzlich möchte ich sagen, dass es zwischen der weißen und der schwarzen Rasse einen körperlichen Unterschied gibt, welcher es nach meiner Überzeugung für alle Zeiten verbieten wird, dass die beiden Rassen in sozialer und politischer Gleichberechtigung zusammenleben. Und da sie nicht so leben können, während sie doch zusammenbleiben, muss es die Position des Überlegenen und des Unterlegenen geben, und ich bin wie jeder andere Mensch dafür, dass die überlegene Position der weißen Rasse zugewiesen wird. 115

    Wären Huxley und Lincoln in unserer Zeit geboren und erzogen worden, so wären sie wie wir vor ihren eigenen viktorianischen Empfindungen und ihrem salbungsvollen Ton zurückgeschreckt. Ich zitiere sie nur, um deutlich zu machen, wie sich der Zeitgeist wandelt. Wenn selbst Huxley, einer der großen liberalen Köpfe seiner Zeit, und der Sklavenbefreier Lincoln so etwas sagen konnten, dann kann man sich leicht vorstellen, was die Durchschnittsbürger der viktorianischen Zeit dachten. Und wenn wir noch weiter zurück ins 18. Jahrhundert blicken, so ist allgemein bekannt, dass Washington, Jefferson und andere Vertreter der Aufklärung sich durchaus Sklaven hielten. Der Zeitgeist ändert sich unaufhaltsam; deshalb halten wir den Wandel manchmal für selbstverständlich und vergessen, dass er in Wirklichkeit ein echtes, eigenständiges Phänomen ist.
    Es gibt dafür noch viele weitere Beispiele. Als die ersten Seeleute auf Mauritius landeten und die Dodos sahen, hatten sie keinen anderen Gedanken, als die zutraulichen Vögel mit Knüppeln zu erschlagen. Man wollte sie nicht einmal essen (den Beschreibungen zufolge waren sie ungenießbar). Wehrlosen, zahmen, flugunfähigen Vögeln mit einem Knüppel den Kopf einzuschlagen war vermutlich einfach ein Zeitvertreib. Heute wäre so etwas undenkbar, und wenn eine moderne Entsprechung zum Dodo auch nur durch Zufall ausstirbt – von absichtlicher Tötung durch Menschen ganz zu schweigen –, gilt das als große Tragödie.
    Eine solche Tragödie – zumindest nach den Maßstäben unseres heutigen kulturellen Klimas – war in jüngerer Zeit das Aussterben des Tasmanischen Beutelwolfes (Thylacinus). Auf diese Tiere, deren Verschwinden heute pathetisch beklagt wird, war noch 1909 eine Kopfprämie ausgesetzt. In viktorianischen Romanen über Afrika sind »der Elefant«, »der Löwe« und »die Antilope« (man beachte den aufschlussreichen Singular) nichts anderes als »Jagdwild«. Und was tut man

Weitere Kostenlose Bücher