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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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vor der Eheschließung beraten zu lassen.«

    Rabbiner, die sich bereit erklären, die Trauung gemeinsam mit einem christlichen Geistlichen vorzunehmen, sind selten und werden händeringend gesucht.
    Selbst wenn die Religion als solche keinen anderen Schaden anrichten würde, schon ihre sorgfältig geförderten Spaltungstendenzen – ihre absichtliche, gezielte Unterstützung der natürlichen Neigung der Menschen, Gruppenangehörige zu begünstigen und andere Gruppen auszuschließen – würden ausreichen, um sie zu einer bedeutsamen Kraft des Bösen in der Welt zu machen.

Der ethische Zeitgeist

    Zu Beginn dieses Kapitels wurde gezeigt, dass wir – auch die religiösen Menschen unter uns – die Grundlage unserer Moral nicht in heiligen Büchern finden, auch wenn wir uns das vielleicht gern einbilden. Doch wie entscheiden wir dann, was richtig und was falsch ist?
    Ganz gleich, wie wir diese Frage beantworten – in der Frage, was wir tatsächlich für richtig und falsch halten, besteht eine überraschend weitreichende Übereinstimmung. Dieser Konsens steht in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Religion. Er umfasst jedoch auch die meisten religiösen Menschen, unabhängig davon, ob diese der Ansicht sind, ihre Ethik stamme aus der Heiligen Schrift oder nicht. Von bemerkenswerten Ausnahmen wie den afghanischen Taliban und ihren christlichen Entsprechungen in den USA abgesehen, legen die meisten Menschen zumindest Lippenbekenntnisse für das gleiche weit gefasste, liberale Spektrum ethischer Prinzipien ab. In unserer Mehrzahl fügen wir anderen nicht unnötig Leid zu; wir glauben an die freie Meinungsäußerung und treten selbst dann dafür ein, wenn wir mit dem Inhalt der geäußerten Meinungen nicht einverstanden sind. Wir bezahlen unsere Steuern; wir betrügen nicht, morden nicht, begehen keinen Inzest, tun nichts, das wir auch von anderen nicht erleiden wollen. Manche dieser ethischen Prinzipien finden sich in heiligen Büchern, aber dort sind sie unter vielen anderen Regeln begraben, die kein anständiger Mensch befolgen würde; und die heiligen Bücher selbst bieten keine Leitlinien, anhand derer wir die guten Prinzipien von den schlechten unterscheiden könnten.
    Ein Weg, um diese allgemein anerkannte Ethik auszudrücken, sind die »Neuen Zehn Gebote«. Verschiedene Personen und Institutionen haben sich darum bemüht, sie zu formulieren. Interessant ist dabei, dass alle Versuche zu recht ähnlichen Ergebnissen führten, und diese sind charakteristisch für die Zeit, in der ihre Urheber lebten oder leben. Die folgenden »Neuen Zehn Gebote« stammen aus unserer Zeit. Ich habe sie auf einer atheistischen Website gefunden:

    •   Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem andern zu.
    •   Strebe immer danach, keinen Schaden anzurichten.
    •   Behandle deine Mitmenschen, andere Lebewesen und die Welt im Allgemeinen mit Liebe, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Respekt.
    •   Sieh über Böses nicht hinweg und scheue dich nicht, Gerechtigkeit walten zu lassen, aber sei immer bereit, schlechte Taten zu verzeihen, wenn sie freimütig eingestanden und ehrlich bereut werden.
    •   Führe dein Leben mit einem Gefühl von Freude und Staunen.
    •   Strebe stets danach, Neues zu lernen.
    •   Stelle alles auf den Prüfstand; miss deine Ideen immer an den Tatsachen und sei bereit, auch lieb gewordene Überzeugungen über Bord zu werfen, wenn sie sich nicht mit der Wirklichkeit vereinbaren lassen.
    •   Versuche nie, zu zensieren oder dich von Meinungsverschiedenheiten abzukapseln; respektiere immer das Recht der anderen, anderer Meinung zu sein als du.
    •   Bilde dir aufgrund deiner eigenen Vernunft und Erfahrung eine unabhängige Meinung; lass dich nicht blind von anderen führen.
    •   Stelle alles infrage. 113

    Diese kleine Sammlung stammt nicht von einem Weisen, einem Propheten oder einem professionellen Ethiker. Sie ist nur der liebenswürdige Versuch eines ganz normalen Webloggers, die Prinzipien für ein gutes Leben in unserer Zeit so zusammenzufassen, dass man sie mit den Zehn Geboten der Bibel vergleichen kann. Es war die erste Liste, die ich fand, als ich »New Ten Commandments« in eine Suchmaschine eintippte, und ich habe absichtlich nicht weitergesucht. Entscheidend ist, dass jeder ganz normale, anständige Mensch heute eine ganz ähnliche Liste aufstellen könnte. Nicht jeder würde genau mit der gleichen Sammlung von genau zehn Prinzipien aufwarten. Der Philosoph

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