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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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–, und deshalb werden Frauen in den Ländern, die von dem Himmelsgott und seinen irdischen männlichen Vertretern heimgesucht waren, 2000 Jahre lang verachtet.
    Gore Vidal

    Die älteste abrahamitische Religion und der eindeutige Vorfahre der beiden anderen ist das Judentum. Es war ursprünglich ein Stammeskult um einen einzigen, äußerst unangenehmen Gott, voller krankhafter Versessenheit auf sexuelle Beschränkungen, mit dem Geruch verbrannten Fleisches, mit einem Überlegenheitsgefühl gegenüber Konkurrenzgöttern und mit der Exklusivität des auserwählten Wüstenstammes. Während der römischen Besetzung Palästinas gründete Paulus von Tarsus das Christentum als eine weniger gnadenlose, monotheistische Sekte des Judentums, die auch weniger exklusiv war und über die Juden hinaus in die übrige Welt blickte. Einige Jahrhunderte später kehrten Mohammed und seine Anhänger zum kompromisslosen Monotheismus des jüdischen Vorbilds zurück, nicht aber zu seiner Exklusivität; sie gründeten den Islam mit dem Koran als neuem heiligen Buch und nahmen zur Ausbreitung ihres Glaubens eine starke Ideologie der militärischen Eroberungen hinzu. Auch das Christentum wurde mit dem Schwert verbreitet; dieses wurde zunächst von römischen Händen geführt, nachdem Kaiser Konstantin die neue Lehre von einem exzentrischen Kult zu einer offiziellen Religion gemacht hatte, später dann von Kreuzrittern, noch später von den conquistadores und anderen europäischen Invasoren und Kolonialherren mit ihrer missionarischen Begleitung. In meinem Zusammenhang kann man die drei abrahamitischen Religionen fast immer als ununterscheidbar betrachten. Wenn ich nicht ausdrücklich etwas anderes sage, habe ich meistens das Christentum im Kopf, aber das hegt nur daran, dass mir diese Version zufällig am vertrautesten ist. Für mich spielen die Unterschiede eine geringere Rolle als die Ähnlichkeiten. Und mit anderen Religionen wie Buddhismus und Konfuzianismus werde ich mich überhaupt nicht befassen. Es spricht sogar einiges dafür, diese gar nicht als Religionen anzusehen, sondern als ethische Systeme oder Lebensphilosophien.
    Damit die einfache Definition der Gotteshypothese, die ich an den Anfang gestellt habe, den abrahamitischen Gott beschreibt, muss sie noch beträchtlich ausgebaut werden. Er hat das Universum nicht nur erschaffen, sondern er ist ein persönlicher Gott, der darin oder vielleicht auch außerhalb davon (was immer das bedeuten mag) wohnt und die unangenehmen menschlichen Eigenschaften besitzt, auf die ich bereits angespielt habe.
    Zu dem deistischen Gott eines Voltaire oder Thomas Paine gehören keine – angenehmen oder unangenehmen – persönlichen Eigenschaften. Im Vergleich zu dem psychotischen Übeltäter des Alten Testaments ist der Gott der Aufklärung aus dem 18. Jahrhundert ein viel prachtvolleres Wesen: Er ist seiner kosmischen Schöpfung würdig, weit erhaben über das Interesse für unsere menschlichen Angelegenheiten, erhaben über unsere privaten Gedanken und Hoffnungen, völlig desinteressiert am Chaos unserer Sünden und gemurmelten Reue. Der deistische Gott ist ein Physiker, der alle Physik zum Ende bringt, das Alpha und Omega der Mathematiker, die Apotheose der Techniker; ein Über-Ingenieur, der die Gesetze und Konstanten des Universums eingerichtet hat; er hat sie mit höchster Genauigkeit und Vorwissen abgestimmt, hat das gezündet, was wir heute als Urknall bezeichnen würden, und sich dann zur Ruhe gesetzt. Seitdem haben wir nie mehr von ihm gehört.
    In Zeiten stärkeren Glaubens wurden Deisten mit Atheisten gleichgesetzt und verunglimpft. Susan Jacoby führt in Freethinkers: A History of American Secularism (»Freidenker: Eine Geschichte des amerikanischen Säkularismus«) eine kleine Auswahl von Schimpfwörtern auf, mit denen der arme Thomas Paine bedacht wurde: »Judas, Reptil, Schwein, verrückter Hund, Laus, Erzfeind, Bestie, Lügner, und natürlich Ungläubiger«. Paine starb verlassen von seinen früheren politischen Freunden (mit der ehrenwerten Ausnahme von Thomas Jefferson), denen seine christenfeindlichen Ansichten peinlich waren. Heute haben sich die Verhältnisse so weit gewandelt, dass Deisten eher in Gegensatz zu Atheisten gesetzt und mit den Theisten in einen Topf geworfen werden. Immerhin glauben auch sie an ein höheres Wesen, das das Universum erschaffen hat.

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