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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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und das zu einer Zeit, als es noch viel schwieriger war als heute:

    Was die Frage angeht, ob er Atheist war, müssen wir uns mit einem Urteil zurückhalten, und sei es auch nur, weil er während seines politischen Lebens eine gewisse Vorsicht walten lassen musste. Aber wie er schon 1787 an seinen Neffen Peter Carr schrieb, darf man vor dieser Frage nicht aus Angst vor den Konsequenzen zurückschrecken: »Wenn es am Ende zu dem Glauben führt, dass es keinen Gott gibt, wirst du den Anreiz zur Tugend in dem Trost und den angenehmen Gefühlen bei dieser Übung finden, und in der Liebe zu anderen, die sie in dir hervorbringt.«

    Besonders bewegend finde ich den folgenden Ratschlag, den Jefferson seinem Neffen in demselben Brief gibt:

    Schüttle alle Angst vor den unterwürfigen Vorurteilen ab, unter denen sich schwache Geister so demütig ducken. Setze die Vernunft fest in ihren Sattel und rufe sie als Richterin für alle Tatsachen und jede Meinung an. Stelle voller Kühnheit sogar die Existenz eines Gottes infrage; denn wenn es ihn gibt, muss er der Reverenz an die Vernunft mehr Zustimmung zollen als blinder Furcht.
    Bemerkungen von Jefferson wie »Das Christentum ist das perverseste System, das jemals über den Menschen geleuchtet hat« lassen sich sowohl mit dem Deismus als auch mit dem Atheismus vereinbaren. Das Gleiche gilt für James Madisons hemdsärmelige Klerikerfeindlichkeit: »Fast fünfzehn Jahrhunderte lang steht die juristische Institution des Christentums auf dem Prüfstand. Was waren ihre Früchte? Mehr oder weniger überall Überheblichkeit und Trägheit beim Klerus, Unwissenheit und Unterwürfigkeit bei den Laien, Aberglaube, Bigotterie und Schikanen bei beiden.« Genauso könnte man auch Benjamin Franklins Ausspruch »Leuchttürme sind nützlicher als Kirchen« deuten. John Adams war offensichtlich ein stark antiklerikal eingestellter Deist (»Die beängstigenden Apparate der kirchlichen Konzile …«) und äußerte sich mit einigen besonders prächtigen Tiraden vor allem gegen das Christentum: »Wie ich die christliche Religion verstehe, war und ist sie eine Offenbarung. Aber wie kommt es, dass mit der jüdischen und christlichen Offenbarung Millionen von Fabeln, Märchen und Legenden vermischt wurden, die sie zur blutigsten Religion aller Zeiten gemacht haben?« Und in einem anderen Brief, dieses Mal an Jefferson, schrieb er: »Ich erschaudere fast bei dem Gedanken, auf das schrecklichste Beispiel für den Missbrauch von Trauer anzuspielen, das die Geschichte der Menschheit überliefert hat: das Kreuz. Man bedenke nur, welches Unheil diese Trauermaschine angerichtet hat!«
    Ob Jefferson und seine Kollegen nun Theisten, Deisten, Agnostiker oder Atheisten waren, in jedem Fall waren sie auch leidenschaftliche Säkularisten: Nach ihrer Ansicht waren die religiösen Überzeugungen eines Präsidenten oder ihr Fehlen absolut seine Privatangelegenheit. Alle Gründerväter wären unabhängig von ihrem persönlichen religiösen Glauben entsetzt gewesen, wenn sie den Bericht des Journalisten Robert Sherman über ein Gespräch mit George Bush senior gelesen hätten: Als dieser gefragt wurde, ob er bei Amerikanern, die Atheisten sind, den gleichen Bürgersinn und Patriotismus erkennen könne, antwortete er: »Nein, ich finde nicht, dass man Atheisten als Bürger betrachten sollte, und man sollte sie auch nicht für Patrioten halten. Dies ist eine Nation unter Gott.« 24 Geht man davon aus, dass Shermans Bericht stimmt (leider benutzte er kein Tonbandgerät, und der Artikel wurde damals in keiner anderen Zeitung abgedruckt), so kann man ein Experiment machen und das Wort »Atheisten« durch »Juden«, »Muslime« oder »Schwarze« ersetzen. Dann wird klar, welches Ausmaß an Vorurteilen und Diskriminierung Atheisten in den Vereinigten Staaten heute erdulden müssen. Die in der New York Times veröffentlichten »Bekenntnisse einer einsamen Atheistin« von Nathalie Angier sind eine traurige, bewegende Beschreibung ihrer Gefühle der Isolation im heutigen Amerika. 25 Tatsächlich ist die Isolation der Atheisten in den Vereinigten Staaten jedoch eine durch Vorurteile heimtückisch kultivierte Illusion. In Wirklichkeit sind Atheisten in den Vereinigten Staaten zahlreicher, als den meisten Menschen klar ist. Wie im Vorwort schon erwähnt, ist ihre Zahl weit größer als die der religiösen Juden, und doch gehört die jüdische Lobby in Washington bekanntermaßen zu den einflussreichsten Kräften. Was könnten die

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