Der Gotteswahn
Encyclopedia mit einem Meisterstück scharfsinniger Argumentation:
In der Einheit der Gottheit sind drei Personen: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Diese drei Personen sind wirklich voneinander unterschiedlich. Oder mit den Worten des Athanasischen Glaubensbekenntnisses: »So ist der Vater Gott, der Sohn Gott, der Heilige Geist Gott. Und doch sind es nicht drei Götter, sondern ein Gott.«
Als wäre das nicht schon eindeutig genug, zitiert die Encyclopedia auch noch St. Gregorius den Wundertäter, einen Theologen aus dem 3. Jahrhundert:
Es gibt deshalb in der Dreifaltigkeit nichts Erschaffenes, nichts, das etwas anderem unterliegt: Ebenso gibt es nichts, das hinzugefügt wurde, als hätte es einst nicht existiert und wäre erst später hinzugekommen: Deshalb war der Vater nie ohne den Sohn und der Sohn nie ohne den Heiligen Geist: Und diese gleiche Dreifaltigkeit ist für alle Zeiten unwandelbar und unveränderlich.
Welchen Wundern der heilige Gregorius seinen Beinamen auch verdanken mag, Wunder der ehrlichen Klarheit waren es sicher nicht. Seine Worte vermitteln den typischen vernebelnden Beigeschmack der Theologie, an dem sich – anders als in der Naturwissenschaft oder in den meisten anderen Wissensgebieten – seit achtzehn Jahrhunderten nichts verändert hat. Thomas Jefferson hatte wie so oft recht, als er sagte: »Die einzige Waffe, die man gegen unverständliche Aussagen einsetzen kann, ist der Spott. Vorstellungen müssen klar umrissen sein, erst dann kann die Vernunft sich mit ihnen beschäftigen; und von der Dreieinigkeit hatte kein Mensch jemals eine klar umrissene Vorstellung. Es ist nur das Abrakadabra jener Scharlatane, die sich als Priester Jesu bezeichnen.«
Auch zu einem anderen Thema kann ich mir eine Bemerkung nicht verkneifen: Die Religionsvertreter stellen mit anmaßender Selbstsicherheit Behauptungen über winzigste Einzelheiten auf, für die sie keinerlei Beleg haben und auch nicht haben können. Ohnehin fördert vielleicht gerade die Tatsache, dass theologische Meinungen durch nichts belegt werden, die charakteristische drakonische Feindseligkeit gegenüber Personen mit geringfügig abweichenden Ansichten, übrigens besonders auf dem Gebiet der Dreifaltigkeitslehre.
In seiner Kritik des Calvinismus überhäufte Jefferson die Lehre, »dass es drei Götter gibt«, wie er es formulierte, mit Hohn und Spott. Doch gerade der römisch-katholische Zweig des Christentums entwickelt den Dauerflirt mit dem Polytheismus in Richtung einer ungezügelten Inflation weiter. Die Dreifaltigkeit wird (oder werden sie?) durch Maria erweitert, die »Himmelskönigin«, die in allem außer ihrem Namen eine Göttin ist und als Ziel der Gebete hinter Gott selbst nur ganz knapp an zweiter Stelle steht. Weiter aufgeblasen wird das Pantheon durch eine Armee von Heiligen, die mit ihrer Fähigkeit zu übernatürlichen Eingriffen vielleicht keine Halbgötter, aber doch lohnende Ziele von Bitten in ihren jeweiligen Spezialgebieten sind. Das Catholic Community Forum führt eine sehr hilfreiche Liste von 5120 Heiligen auf. 20 Das Spektrum der Fachgebiete reicht dabei von Bauchschmerzen über Misshandlungsopfer, Magersucht, Waffenhändler, Schmiede, Knochenbrüche und Bombentechniker bis zu Darmerkrankungen. Außerdem dürfen wir nicht die vier Chöre der himmlischen Heerscharen vergessen, die sich in neun Ordnungen gliedern: Seraphim, Cherubim, Throne, Gewalten, Tugenden, Mächte, Fürstentümer, Erzengel (die Chefs aller Engel) und die einfachen Engel, darunter unsere alten Freunde, die stets wachsamen Schutzengel. Mich beeindruckt an der katholischen Mythologie zum einen dieser geschmacklose Kitsch, vor allem aber die lässige Unbekümmertheit, mit der die Details beschrieben werden. Das alles ist schamlos erfunden.
Papst Johannes Paul II. erzeugte mehr Heilige als alle seine Vorgänger aus den vergangenen Jahrhunderten zusammen, und eine besondere Zuneigung verband ihn mit der Jungfrau Maria. Auf dramatische Weise offenbarten sich seine polytheistischen Sehnsüchte 1981, als er in Rom einen Attentatsversuch überlebte und seine Rettung auf einen Eingriff Unserer lieben Frau von Fatima zurückführte: »Eine mütterliche Hand hat die Kugel gelenkt.« Da muss schon die Frage erlaubt sein, warum die Kugel nicht so gelenkt wurde, dass sie ihn völlig verfehlte. Andere würden meinen, dass dem Chirurgenteam, das ihn anschließend sechs Stunden lang operierte, zumindest ein Teil des Verdienstes gebührt.
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