Der Gotteswahn
Amerikanischen Republik hätten sich zum Deismus bekannt. Für viele von ihnen trifft das zweifellos zu, aber es wurde auch die Ansicht vertreten, die bekanntesten unter ihnen seien Atheisten gewesen. Ihre Schriften über Religion lassen jedenfalls bei mir vor dem Hintergrund ihrer eigenen Zeit keinen Zweifel aufkommen, dass sie heute Atheisten wären. Aber welche religiösen Ansichten sie persönlich auch zu ihrer Zeit gehabt haben mögen, eines ist allen gemeinsam: Sie waren Säkularisten , und diesem Thema möchte ich mich im nun folgenden Abschnitt zuwenden. Ich beginne mit einem – vielleicht überraschenden – Zitat des Senators Barry Goldwater aus dem Jahr 1981, in dem sehr deutlich wird, wie der Präsidentschaftskandidat und Held des amerikanischen Konservativismus die säkulare Tradition aus der Gründerzeit der Republik hochhielt:
In keiner anderen Haltung sind die Menschen so unbeweglich wie in ihren religiösen Überzeugungen. Man kann in einer Diskussion keinen mächtigeren Verbündeten für sich beanspruchen als Jesus Christus oder Gott oder Allah, oder wie man dieses höhere Wesen sonst nennen mag. Aber wie jede wirksame Waffe, so sollte man auch Gottes Namen im eigenen Interesse nur sparsam einsetzen. Die religiösen Gruppen, die überall in unserem Land heranwachsen, gehen nicht klug mit ihrer Macht um. Sie wollen die Regierungsmitglieder zwingen, sich zu hundert Prozent ihrer Position anzuschließen. Wenn man in einer bestimmten ethischen Frage nicht mit diesen religiösen Gruppen übereinstimmt, beklagen sie sich und drohen mit dem Verlust von Geld und Wählerstimmen. Ehrlich gesagt, bin ich es leid, dass politische Prediger überall in diesem Land mir als Bürger sagen, wenn ich ein moralischer Mensch sein wolle, müsse ich an A, B, C oder D glauben. Für wen halten die sich eigentlich? Woher nehmen sie das Recht, mir ihre moralischen Überzeugungen aufzuzwingen? Noch wütender bin ich als Gesetzgeber, der die Drohungen aller möglichen religiösen Gruppen ertragen muss, weil sie glauben, sie hätten das gottgegebene Recht, bei jeder Abstimmung im Senat über meine Stimme zu bestimmen. Ich warne sie heute: Ich werde sie auf jedem Schritt des Weges bekämpfen, wenn sie versuchen, ihre moralischen Überzeugungen im Namen des Konservativismus allen Amerikanern vorzuschreiben. 21
Die religiösen Überzeugungen der Gründerväter sind heute für die Propagandisten der amerikanischen Rechten von großer Bedeutung, denn diese sind eifrig darauf bedacht, ihre Version der Geschichte durchzusetzen. Entgegen ihren Behauptungen wurde schon frühzeitig festgehalten, dass die Vereinigten Staaten nicht als christliche Nation gegründet wurden. Im Vertrag mit Tripoli, der 1796 unter George Washington entworfen und 1797 von John Adams unterzeichnet wurde, steht:
Da die Regierung der Vereinigten Staaten nicht in irgendeinem Sinn auf die christliche Religion gegründet ist; da sie in sich nicht den Charakter der Feindschaft gegen Gesetze, Religion oder Seelenfrieden der Muselmanen trägt; und da die besagten Staaten sich niemals an einem Krieg oder Feindseligkeiten gegen irgendeine mohammedanische Religion beteiligt haben, wird von den Parteien erklärt, dass kein aus religiösen Ansichten erwachsender Vorwand jemals zu einer Störung der Harmonie zwischen den beiden Ländern führen soll.
Die einleitenden Worte aus diesem Zitat würden in der heutigen herrschenden Klasse in Washington einen Aufruhr verursachen. Aber wie Ed Buckner überzeugend nachweisen konnte, waren sie zu jener Zeit weder unter Politikern noch in der Öffentlichkeit ein Anlass für Meinungverschiedenheiten. 22
Auch ist nicht unbemerkt geblieben, dass die Vereinigten Staaten mit ihren säkularen Grundlagen paradoxerweise heute das am stärksten religiöse Land der ganzen Christenheit sind, während England mit einer etablierten Staatskirche und dem verfassungsmäßigen Monarchen an ihrer Spitze diesbezüglich am unteren Ende des Spektrums rangiert. Ich werde immer wieder gefragt, warum das so ist, aber ich weiß es nicht. Nach meiner Vermutung war man in England nach einer widerwärtigen Geschichte der Glaubenskonflikte, in der Protestanten und Katholiken abwechselnd die Oberhand gewannen und dann die Vertreter der anderen Seite systematisch ermordeten, der Religion einfach überdrüssig.
Eine andere Vermutung stützt sich auf die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten eine Einwanderernation sind. Ein Kollege machte mich darauf
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