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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Entscheidend ist aber, dass es nicht einfach Unsere liebe Frau war, die nach Ansicht des Papstes die Kugel gelenkt hatte, sondern Unsere liebe Frau von Fatima. Vermutlich waren Unsere liebe Frau von Lourdes, Unsere liebe Frau von Guadeloupe, Unsere liebe Frau von Medjugorje, Unsere liebe Frau von Akita, Unsere liebe Frau von Zeitoun, Unsere liebe Frau von Garabandanal und Unsere liebe Frau von Knock gerade mit anderen Aufträgen beschäftigt.
    Wie kamen nur die Griechen, Römer und Wikinger mit solchen polytheologischen Zwickmühlen zurecht? War Venus nur ein anderer Name für Aphrodite, oder waren es zwei verschiedene Liebesgöttinnen? War Thor mit seinem Hammer eine Ausdrucksform von Wotan oder ein anderer Gott? Wen kümmert es schon? Das Leben ist zu kurz, als dass man sich mit der Unterscheidung zwischen einem Fantasieprodukt und vielen anderen Fantasieprodukten herumschlagen sollte. Nachdem ich nun meine Verbeugung vor dem Polytheismus gemacht und damit den Vorwurf der Missachtung entkräftet habe, werde ich darüber keine weiteren Worte mehr verlieren. Der Einfachheit halber werde ich von nun an alle Gottheiten, ob poly- oder monotheistisch, als »Gott« bezeichnen. Ich bin mir auch bewusst, dass der Gott Abrahams aggressiv männlich ist (um es vorsichtig auszudrücken), und werde diese Konvention in meinem Gebrauch der Substantive berücksichtigen. Raffiniertere Theologen behaupten allerdings, Gott habe kein Geschlecht, und manche feministischen Theologinnen machen Gott weiblich, um historische Ungerechtigkeiten auszugleichen. Aber was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer nicht existierenden Frau und einem nicht existierenden Mann? An der unglaublich irrealen Schnittstelle zwischen Theologie und Feminismus ist vermutlich die Existenz tatsächlich unwichtiger als das Geschlecht.
    Mir ist durchaus bewusst, dass man den Religionskritikern vorwerfen kann, sie übersähen die Vielfalt der Traditionen und Weltanschauungen, die man als religiös bezeichnet. Anthropologisch orientierte Bücher – von James Frazers The Golden Bough (Der goldene Zweig) über Pascal Boyers Religion Explained (Und Mensch schuf Gott) bis In Gods We Trust (»Wir vertrauen auf Götter«) von Scott Atran – dokumentieren auf faszinierende Weise die bizarre Phänomenologie von Aberglauben und Ritualen. Wer solche Bücher liest, kommt nicht umhin, über die Vielgestaltigkeit der menschlichen Einfalt zu staunen.
    Doch darum geht es in diesem Buch nicht. Ich wende mich gegen den Supernaturalismus in allen seinen Formen, und dabei ist es am wirksamsten, wenn ich mich auf die Form konzentriere, die meinen Lesern höchstwahrscheinlich am vertrautesten ist und die sich am bedrohlichsten auf alle unsere Gesellschaften auswirkt. Die meisten Leser sind sicher mit einer der drei heutigen »großen« monotheistischen Religionen (oder vier, wenn man das Mormonentum mitzählt) aufgewachsen, die sich auf den mythologischen Vorvater Abraham berufen. Es kann nicht schaden, diese Familie von Traditionen bei der weiteren Lektüre im Hinterkopf zu behalten.
    Dies ist auch ein guter Augenblick, um einer unvermeidlichen Erwiderung auf das Buch zuvorzukommen – einer Erwiderung, die sonst so sicher wie das Amen in der Kirche in einer Rezension auftauchen würde: »Der Gott, an den Dawkins nicht glaubt, ist einer, an den auch ich nicht glaube. Ich glaube nicht an einen alten Mann mit weißem Rauschebart, der oben im Himmel wohnt.« Dieser alte Mann ist nur eine belanglose Ablenkung, und sein Bart ist so langweilig, wie er lang ist. In Wirklichkeit ist diese Ablenkung aber viel schlimmer als belanglos: Mit ihrer genau berechneten Dummheit soll sie davon ablenken, dass das, was der Sprecher wirklich glaubt, nicht weniger dumm ist. Ich weiß, dass Sie nicht an einen alten Mann mit Bart auf einer Wolke glauben, also vergeuden wir damit keine Zeit. Ich greife nicht eine bestimmte Version von Gott oder Göttern an. Ich wende mich gegen Gott, alle Götter, alles Übernatürliche, ganz gleich, wo und wann es erfunden wurde oder noch erfunden werden wird.

Monotheismus
    Das große unsagbare Übel im Mittelpunkt unserer Kultur ist der Monotheismus. Aus einem barbarischen bronzezeitlichen Text, der unter dem Namen Altes Testament bekannt ist, haben sich drei menschenfeindliche Religionen entwickelt: das Judentum, das Christentum und der Islam. Es sind Himmelsgott-Religionen. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes patriarchalisch – Gott ist der allmächtige Vater

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