Der Gotteswahn
festzustellen, ob ich damit Erfolg hatte, aber meine Absicht war weniger Polemik als vielmehr eine handfeste, aber auch humorvolle Breitseite. In öffentlichen Lesungen aus Der Gotteswahn ist dies die einzige Stelle, die garantiert herzhaftes Gelächter provoziert, und deshalb benutzen meine Frau und ich sie jedes Mal, um bei einem neuen Publikum das Eis zu brechen. Wenn ich eine Vermutung wagen darf, warum der Humor funktioniert: Nach meiner Überzeugung ist es das Missverhältnis zwischen einem Thema, das man aufgeregt oder vulgär hätte formulieren können , und der tatsächlichen Formulierung mit einer langen Liste latinisierter oder pseudogelehrter Wörter (»homophob«, »sadomasochistisch«). Dabei habe ich mir einen der lustigsten Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts zum Vorbild genommen, und niemand würde Evelyn Waugh als schrill oder unbeherrscht bezeichnen (und ich habe mich sogar verraten, als ich im Zusammenhang mit der sofort anschließenden Anekdote auf Seite 53 seinen Namen genannt habe).
Buchrezensenten und Theaterkritiker äußern häufig höhnisch-negative Meinungen und werden dann für den schneidenden Scharfsinn ihrer Äußerungen gelobt. In der Religionskritik dagegen ist schon Klarheit plötzlich keine Tugend mehr, sondern sie klingt wie aggressive Feindseligkeit. Ein Politiker greift den Vertreter der Gegenseite im Parlament unter Umständen bitterböse an und erntet Applaus für seine herzhafte Streitbarkeit. Bedient sich aber ein nüchtern nachdenkender Religionskritiker einer Sprache, die in anderem Zusammenhang nur direkt oder ehrlich klingen würde, rümpft die feine Gesellschaft die Nase und schüttelt den Kopf. Das gilt selbst für die säkulare feine Gesellschaft, und insbesondere für jenen Teil der säkularen Gesellschaft, der so gern sagt: »Ich in Atheist, ABER …«
Sie predigen doch nur Ihren eigenen Anhängern.
Was soll das Ganze?
Die »Converts’ Corner« bei RichardDawkins.net straft diese Aussage Lügen, aber selbst wenn man sie für wahr hält, gibt es darauf einige gute Antworten. Erstens ist die Gruppe der Ungläubigen insbesondere in den Vereinigten Staaten viel größer, als man gemeinhin annimmt. Aber, und auch das gilt vorwiegend für die USA, es ist eine verborgene Gruppe, und sie braucht unbedingt die Ermutigung, sich zu outen. Nach den Dankesschreiben zu urteilen, die ich nach meiner Lesereise aus den gesamten Vereinigten Staaten erhielt, wissen viele Menschen die Ermutigung zu schätzen, die sie von Leuten wie Sam Harris, Daniel Dennett, Christopher Hitchens und mir erhalten.
Ein weiterer Grund, den eigenen Anhängern zu predigen, ist die Notwendigkeit der Bewusstseinserweiterung. Als die Feministinnen unser Bewusstsein für sexistische sprachliche Formulierungen erweiterten, predigten sie vielleicht auch den eigenen Anhängerinnen, soweit es um zentrale Themen wie die Rechte der Frauen und das Übel der Diskriminierung ging. Aber auch die Gruppe der anständigen Liberalen brauchte eine Schärfung des Bewusstseins für die Alltagssprache. Selbst wenn wir in den politischen Fragen der Frauenrechte und Diskriminierung eine eindeutige Meinung hatten, beugten wir uns unbewusst den sprachlichen Konventionen, durch die sich die Hälfte der Menschheit ausgeschlossen fühlte.
Das gleiche Schicksal wie die sexistischen Formulierungen sollte auch andere sprachliche Konventionen ereilen, und die Gruppe der Atheisten macht da keine Ausnahme. Bewusstseinserweiterung brauchen wir alle. Atheisten und Theisten richten sich nach der gesellschaftlichen Konvention, wonach man dem Glauben gegenüber besonders höflich und respektvoll zu sein hat. Und ich mache die Gesellschaft unermüdlich darauf aufmerksam, dass wir es stillschweigend hinnehmen, wenn Kindern das Etikett der religiösen Ansichten ihrer Eltern aufgedrückt wird. Atheisten sollten ihr Bewusstsein für diese Anomalie schärfen: Religiöse Ansichten gehören zu jenen elterlichen Überzeugungen, die man nach einem fast allgemein gültigen Konsens auf die Kinder übertragen darf, obwohl diese in Wirklichkeit so jung sind, dass sie sich noch gar keine Meinung bilden können. Ein »christliches Kind« gibt es nicht; es ist nur das Kind christlicher Eltern. Man sollte jede Gelegenheit nutzen, dies den Leuten einzuhämmern.
Sie sind genau wie die Fundamentalisten,
die Sie kritisieren
Nicht doch, bitte: Eine Leidenschaft, die es sich noch anders überlegen kann, kann allzu leicht mit Fundamentalismus verwechselt
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