Der Gotteswahn
ob Gott existiert. Theologische Schriften setzen in ihrer Mehrzahl voraus, dass es ihn gibt, und sie benutzen dies als Ausgangspunkt. In meinem Zusammenhang brauchte ich nur jene Theologen zu berücksichtigen, die den Gedanken, es könnte Gott nicht geben, ernst nehmen und dann Argumente für seine Existenz anführen. Das habe ich nach meiner Überzeugung im dritten Kapitel getan –
und zwar, so hoffe ich, mit einer guten Portion Humor und einigermaßen umfassend.
In puncto Humor ist übrigens die brillante »Antwort eines Höflings«, die P.Z. Myers auf seiner Website »Pharyngula« veröffentlichte, unübertrefflich:
Ich habe die schamlosen Anschuldigungen von Mr. Dawkins betrachtet und war empört darüber, dass es ihm an ernsthafter Fachkenntnis mangelt. Er hat offensichtlich nicht die detaillierten Ausführungen des Grafen Rodrigo von Sevilla über das exquisite exotische Leder der kaiserlichen Stiefel gelesen, und ebenso berücksichtigt er nicht im Mindesten Bellinis Meisterwerk Über das Leuchten des kaiserlichen Federhutes. Ganze Denkschulen haben sich der Aufgabe gewidmet, gelehrte Abhandlungen über die schönen Gewänder des Kaisers zu schreiben, und jede größere Zeitung enthält eine Kolumne über die Mode am Kaiserhof … Dawkins ignoriert in seiner Arroganz alle diese zutiefst philosophischen Gedanken und beschuldigt den Kaiser auf grausame Weise der Nacktheit … Solange Dawkins sich nicht in den Boutiquen von Paris und Mailand weitergebildet hat, solange er nicht gelernt hat, den Unterschied zwischen einem Rüschenvolant und einer Pumphose zu erkennen, sollten wir alle so tun, als habe er nie etwas gegen den Geschmack des Kaisers gesagt. Seine Ausbildung als Biologe mag ihn in die Lage versetzen, herabhängende Geschlechtsteile zu erkennen, wenn er sie sieht, aber sie hat ihn nicht gelehrt, Imaginärstoffe richtig zu bewerten.
Um die Aussage noch zu erweitern: Die meisten Menschen tun Feen, Astrologie und das Fliegende Spaghettimonster als Unsinn ab, ohne sich zunächst in Bücher über Pastafarina-Theologie zu versenken.
Im Zusammenhang damit steht auch der nächste Kritikpunkt: die »Pappkameraden-Kritik«:
Sie greifen die schlimmsten Seiten der Religion an und nehmen die guten nicht zur Kenntnis
»Sie nehmen sich grobe Aufwiegler wie Ted Haggard, Jerry Falwell und Pat Robertson vor anstelle kultivierter Theologen wie Tillich oder Bonhoeffer, die jene Art von Religion lehren, an die ich glaube.«
Wenn nur eine solche verfeinerte, nuancierte Religion vorherrschen würde, sähe die Welt sicher besser aus, und ich hätte ein ganz anderes Buch geschrieben. Aber die traurige Wahrheit lautet: Eine derart zurückhaltende, anständige Religion ist zahlenmäßig nicht der Rede wert. Für die große Mehrzahl der Gläubigen auf der ganzen Welt ähnelt die Religion nur allzu sehr dem, was man von Robertson, Falwell, Haggard, Osama bin Laden, Ayatollah Chomeini und ihresgleichen hört. Das sind keine Pappkameraden; sie haben großen Einfluss, und in der modernen Welt muss sich jeder mit ihnen auseinandersetzen.
Ich bin Atheist, aber ich distanziere mich von Ihrer schrillen, aufgeregten, unbeherrschten, intoleranten Sprache
Sieht man sich die Sprache von Der Gotteswahn genauer an, so ist sie weniger schrill oder unbeherrscht als vieles, was wir tagtäglich zu lesen und zu hören bekommen – beispielsweise in politischen Kommentaren, Theater-, Kunst- oder Buchrezensionen. Meine Sprache hört sich nur deshalb heftig und unbeherrscht an, weil es fast überall die eigenartige Übereinkunft gibt, religiöser Glaube genieße das besondere Privileg, über jede Kritik erhaben und von ihr ausgenommen zu sein (siehe das Zitat von Douglas Adams auf Seite 39f.).
Im Jahr 1915 sprach der britische Parlamentsabgeordnete Horatio Bottomley für die Zeit nach dem Krieg folgende Empfehlung aus: »Wenn Sie eines Tages in einem Restaurant zufällig feststellen, dass Sie von einem deutschen Kellner bedient werden, schütten Sie ihm die Suppe in sein widerliches Gesicht; wenn Sie feststellen, dass Sie neben einem deutschen Beamten sitzen, leeren Sie das Tintenfass über seinem widerlichen Kopf.« Das ist wirklich aufgeregt und intolerant (und, so sollte man meinen, selbst vor dem Hintergrund seiner eigenen Zeit lächerlich und rhetorisch unwirksam). Man vergleiche dies mit dem ersten Satz meines zweiten Kapitels, der am häufigsten als »aufgeregt« oder »schrill« bezeichnet wird. Es ist nicht an mir,
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