Der Graben: Thriller (German Edition)
ob das hier wirklich passierte oder ein Albtraum war. Ihr Herz hämmerte wie verrückt, die eindeutige Reaktion ihres Körpers.
Wie immer hatte Saeko das Gefühl, in einer dunklen Kugel gefangen zu sein. Es ist mein Geist, der gefangen ist, nicht mein Körper , beschwor sie sich. Wenn sie nur einen Finger oder Zeh ein ganz klein wenig rühren konnte, vermochte sie damit ihren ganzen Körper von dem zu befreien, das ihn gefangen hielt. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, es gelang ihr nicht. Ihre Fingerspitzen bewegten sich nicht einmal um Haaresbreite.
Hilfe! , schrie sie, doch ihre Stimme fand keinen Ausweg. Der Schrei hallte nur in ihrem Körper wider und erstickte sie noch mehr.
Sie verspürte einen kühlen Luftzug um die Brust; die Bettdecke musste irgendwie verrutscht sein. Ja – vorher war sie bis zu ihren Schultern hochgezogen gewesen, doch jetzt lag sie zusammengeknüllt wie eine Schlangenhaut an ihrem Nabel. Durch den dünnen Baumwollstoff des Krankenhaushemds spürte Saeko, wie jemand mit den Fingerspitzen über ihre Haut strich. Die Berührung war so leicht, dass sich das Ganze weniger wie Finger anfühlte, sondern eher so, als würde jemand sie anhauchen.
Die Empfindung wanderte über ihre Brustwarzen, glitt zwischen ihre Brüste, schlüpfte durch die Öffnung ihres Krankenhaushemds und außen an ihrer linken Brust entlang. Plötzlich durchzuckte Saeko ein stechender Schmerz. Die Fingerspitze war nicht länger kaum zu spüren. Sie bohrte sich heftig in eine einzige Stelle, grub den Fingernagel in die Haut.
Au!
Es tat nicht wirklich weh. Saeko war in erster Linie erschrocken.
Sofort gab die Stimme Antwort. »Mach so weiter, dann bist du bald eine von uns.«
Damit war der Jemand plötzlich verschwunden und ließ nur den dumpfen Schmerz in Saekos Brust zurück.
Das Kribbeln breitete sich von der Brust in einer Richtung in den Unterleib aus und kroch gleichzeitig hinauf über ihre Schultern und den Nacken. Schließlich erfasste es ihren ganzen Körper, und sie stellte fest, dass sie sich endlich wieder bewegen konnte – zuerst Finger und Zehen, dann Hände und Füße.
Als sie sich ganz sicher war, dass niemand mehr neben ihr stand, schlug Saeko langsam beide Augen auf. Eine einzelne winzige Glühbirne leuchtete über dem Vorhang am Fußende ihres Bettes, und es war heller im Raum, als sie gedacht hätte. Der Vorhang auf der Seite zum Flur – dort, wo sie eben noch jemanden stehen gespürt hatte – schien zugleich still zu hängen und in Bewegung zu sein.
Saeko wusste nicht, was sie davon halten sollte. Hatte wirklich jemand neben ihr gestanden? Oder war das Ganze nur ein Hirngespinst gewesen, hervorgerufen durch ihre Schlaflähmung?
Es gab eine Möglichkeit, um dies herauszufinden. Saeko drückte eine Handfläche an ihre Brust. Zitternd vor Angst tasteten ihre Finger die wunde Stelle an ihrer linken Brust ab. Durch Fühlen allein konnte sie nicht sagen, ob auf ihrer Brust Spuren eines Fingernagels waren. Doch die Stelle konnte sie eindeutig spüren. Selbst jetzt war der Schmerz noch da, und sie konnte den Knoten unter der Haut fühlen. Er war rund und hart und hatte einen Durchmesser von etwa einem Zentimeter – es war derselbe Knoten, den sie vor zehn Tagen entdeckt und stur ignoriert hatte, indem sie sich einredete, es wäre wahrscheinlich eine Brustentzündung. Nur indem sie geleugnet hatte, es könnte Brustkrebs sein, hatte sie mitten in ihrem stressigen Terminplan überhaupt vorläufig die Ruhe bewahren können.
Und jetzt hatte jemand mit dem Finger zielsicher genau die Stelle gefunden und daraufgedrückt. War das nur Zufall? Oder hatten ihre unterdrückten Ängste sich erhoben und als Warnung diese Halluzinationen in ihr geweckt?
Saeko lief ein solcher Schauder über den Rücken, dass die Matratze unter ihr bebte und die Sprungfedern knarrten. Sie konnte ihr Zittern nicht kontrollieren, wurde von Zuckungen geschüttelt. Sie verschränkte die Hände vor der Brust und drückte sie fest an den Körper, um den Schrei zu unterdrücken, der ihr aus der Kehle zu dringen drohte.
Als ein weiterer Krampf sie schüttelte, begann der alte Mann auf der anderen Seite des Gangs wieder zu stöhnen. Oohh…
Das Geräusch einer Toilettenspülung war zu hören, und das anschließende Volllaufen des Spülkastens schien kein Ende zu nehmen. Es wurde nur unterbrochen durch den Knall einer Glühbirne, die draußen im Gang durchbrannte.
Saeko verdrehte sich, um an den Klingelknopf heranzukommen. Aber
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