Der Graben: Thriller (German Edition)
zur Klinik zurückgelegt hatte, um sie nach Hause zu fahren, obwohl sie wusste, dass er mit der Bearbeitung des Filmmaterials alle Hände voll zu tun hatte. Normalerweise versprachen Männer einem das Blaue vom Himmel, ohne ihre Versprechen jemals einzulösen, doch Hashiba war anders. Er schien jemand zu sein, der Wort hielt. Saeko wusste sofort, dass sie ohne Wenn und Aber wieder mit ihm zusammenarbeiten würde, sollte er ein Folgeprojekt bekommen.
Seit ihrer Entlassung aus der Klinik und der Rückkehr nach Tokio erstickte sie in Arbeit. Die Untersuchungen im Krankenhaus hatten keinerlei Auffälligkeiten an ihrem Gehirn ergeben, sodass sie bereits nach vier Tagen Beobachtung gehen durfte. Trotzdem rotierte sie Tag und Nacht, um die verlorene Zeit aufzuholen.
Mit dem Interview in Gifu hatte sie jemand anderen beauftragt, doch den Artikel schrieb sie selbst und schickte ihn per E-Mail, während sie in Hokkaido im Einsatz war. Es war knapp, doch am Ende schaffte sie es rechtzeitig. Das war vor einer Woche gewesen. Vorgestern hatte Hashiba angerufen. Als sie sich trafen, berichtete er freudestrahlend, dass die Sendung Traumquoten erreicht habe und der Sender ihn wahrscheinlich mit einem weiteren Projekt zu einem Vermisstenfall beauftragen werde. »Das verdanke ich Ihnen!«, fügte er hinzu, und so freute Saeko sich umso mehr, dass sie an der Sendung mitgearbeitet hatte.
Als er zum Chefregisseur des Folgeprojekts ernannt wurde, stellte Hashiba den offiziellen Antrag, dass Saeko erneut als Mitarbeiterin verpflichtet wurde. Aufgrund der Serie in dem monatlich erscheinenden Magazin eines namhaften Verlages und der überaus erfolgreichen Pilotsendung würde das Projekt ein üppiges Budget zur Verfügung haben.
Auf diese Nachricht hin teilte Saeko Hashiba und Maezono mit, dass ihre detektivischen Möglichkeiten auch ihre Grenzen hatten, und sie schlug vor, dass sie einen hoch qualifizierten Profi mit ins Boot nahmen, der die Ermittlungen wesentlich effizienter und präziser durchführen konnte.
Beide waren einverstanden und einigten sich darauf, sich die Kosten dafür zu teilen und die so gewonnenen zusätzlichen Informationen gemeinsam zu nutzen.
Saeko hatte eine aufgeschlagene Akte auf dem Schoß und wollte gerade mit der Fernbedienung den Fernseher ausschalten, als im Wohnzimmer das Telefon klingelte. Sie nahm den Hörer ab. Die Stimme am anderen Ende gehörte genau dem Menschen, den sie gerade anrufen wollte: Kitazawa.
»O Gott. Ich wollte Sie gerade anrufen«, sagte sie.
»Synchronizität. Genau deshalb melde ich mich übrigens. Neulich hatten Sie eine Akte über einige vermisste Personen aus Itoigawa mitgebracht, nicht wahr? Also, unser Büro hat den Auftrag erhalten, den Fall eines Menschen zu untersuchen, der genau um die gleiche Zeit aus Itoigawa verschwunden ist.«
»Derselbe Fall?« Saeko hatte die Unterlagen aus Maezonos Akte kopiert und Kitazawa überlassen.
»Nein. Ein anderer.«
»Sie meinen, drei verschiedene Personen sind um die gleiche Zeit aus Itoigawa verschwunden? Rein zufällig?«
»Wir sollten davon ausgehen, dass die Fälle miteinander zusammenhängen. Die junge Dame, die verschwunden ist, war eine gewisse Mizuho Takayama, 27 Jahre alt, Single. Sie wohnte bei ihren Eltern in Musashino in der Präfektur Tokio. Sie war Herausgeberin einer Fachzeitschrift. Mitte September letzten Jahres ist sie verschwunden. Ihre Eltern haben sich an uns gewandt. Als Mizuho Takayama verschwand, hielt sie sich in Itoigawa auf, um für einen Artikel über Schnitzereien aus Jade zu recherchieren. Ihre Familie ist ziemlich wohlhabend. Die Eltern hatten sie als vermisst gemeldet, die Ermittlungen haben aber nicht die geringste Spur ergeben. Wir sind also quasi ihre letzte Rettung. Natürlich können wir auch keine Wunder bewirken, ein Jahr nach dem Verschwinden.«
Saeko konnte schmerzlich nachvollziehen, wie Mizuho Takayamas Eltern sich fühlen mussten. Schließlich hatte sie selbst nach all den Jahren die Hoffnung nicht aufgegeben, ihren Vater zu finden. Wahrscheinlich würden sie ihre Tochter auch nach zehn oder sogar zwanzig Jahren noch suchen.
»Wir sind also ein Team. Mit gemeinsamem Ziel.«
»Ja. Was wissen Sie?« Kitazawa lachte leise.
»Es verändert natürlich unseren Ansatz, dass wir nun mehrere Vermisstenfälle haben.«
»Sehr richtig. Als Erstes müssen wir herausfinden, wo s ich die Wege der verschwundenen Personen gekreuzt hab en. Ich fahre morgen nach Itoigawa und schaue mal, was ich in
Weitere Kostenlose Bücher