Der Graben: Thriller (German Edition)
Angestellten in einem Bürogebäude auf der anderen Straßenseite sehen. Es waren keine Gardinen an den Fenstern, und das hell erleuchtete Büro war gut zu erkennen.
Die Frauen an den Schreibtischen trugen alle Uniform – heutzutage ein seltenes Phänomen. Die Männer hatten Anzüge an, vermutlich aus dem eigenen Kleiderschrank, denn sie waren alle verschieden. Das Verhältnis von Frauen zu Männern war ungefähr sechs zu vier.
Ich frage mich, was für ein Betrieb das ist , dachte Saeko und schob mit den Fingern die Jalousie weiter auseinander, um besser sehen zu können. Dabei verlor sie kurz das Gleichgewicht und streckte die Hand zum Fenster aus, damit sie nicht fiel. Gleichzeitig mit dem knirschenden Geräusch der PVC -Jalousie unter ihrer Hand hörte sie Hashibas Stimme.
»Vielleicht ist das Verschwinden all der Menschen ein Zeichen für eine Veränderung in der Erdkruste.«
Saeko zog die Hand von der Jalousie zurück und richtete sich auf. Nachdem sie bei dem Erdbeben verletzt worden war, weckte die Gefahr von Veränderungen der Erdkruste ganz konkrete Vorstellungen in ihr. Aber wie kam Hashiba darauf, dass das Verschwinden der Menschen ein Zeichen war?
Kitazawa schien sich ebenfalls darüber zu wundern. Seine Kaffeetasse schwebte auf halbem Weg zu seinem Mund in der Luft.
»Kennen Sie das, wie Tiere in Scharen verschwinden, wenn irgendein ungewöhnliches Naturereignis bevorsteht? Lemminge springen zum Beispiel ins Meer, bevor eine Lawine abgeht.«
Hashiba schien eine Verbindung zu ziehen zwischen den Vorahnungen von Tieren und dem Verschwinden mehrerer Menschen auf einmal. Saeko erinnerte sich deutlich, wie kurz vor dem Erdbeben von Takato ein ganzer Krähen schwarm draußen auf den Stromleitungen auf einmal aufgeflogen war und wie alle Hunde in der Nachbarschaft im Chor zu jaulen begonnen hatten.
Kitazawa lachte keineswegs über Hashibas Gedanken. Stattdessen bewegte er ruhig wieder seine Maus, um eine weitere Karte auf dem Bildschirm aufzurufen. Es war ebenfalls eine Reliefkarte mit geologischen und tektonischen Angaben, diesmal von der Westküste der Vereinigten Staaten. San Francisco und Los Angeles befanden sich etwa in der Mitte der Karte.
»Alles, wovon ich Ihnen bisher berichtet habe, betraf nur Japan. Ich weiß nicht, wie er es gemacht hat, aber Toshiya hat auch Informationen über Vermisstenfälle aus Übersee beschafft. Schließlich brauchen wir weitere Beispiele, um die Frage zu klären, ob unsere Ergebnisse im Hinblick auf Japan purer Zufall waren. Toshiya hat die Daten von ein paar Dutzend in Übersee vermissten Personen in den Computer eingegeben. Das alles können Sie sicher rasch durchlesen, wenn Sie wollen. Unter diesen Fällen war einer, den ich besonders interessant fand.« Kitazawa schaute auf das Dokument in seiner Hand und fuhr langsam fort. »Der Vorfall ereignete sich vermutlich am 25. September letzten Jahres: Zwölf Tage nach dem Vorfall in Itoigawa verschwand eine weitere Gruppe von Menschen in Kalifornien. Aus ihren Autos, nicht aus ihren Häusern. Aus zwei Autos, mitten in der Wüste. Die Fahrzeuge wurden in der Nähe eines kleinen ausgetrockneten Sees namens Soda Lake entdeckt, genau westlich von Bakersfield, nordwestlich von Los Angeles.
Die leeren Fahrzeuge wurden am 26. September entdeckt, doch es war offensichtlich, dass ihre Insassen am Vorabend verschwunden waren. Die Fahrzeuge waren einander gegenüber auf beiden Seiten der Seven Mile Road geparkt, einer unbefestigten Straße. Der Ford war der Mietwagen von Hans und Claudia Ziemssen, einem jungen Paar aus Frankfurt, das in den USA Urlaub machte. Sie waren an jenem Tag am Los Angeles International Airport angekommen, hatten den Ford gemietet und waren zu einem Ausflug in die Wüste aufgebrochen. Der andere Wagen war ein Pontiac, er gehörte der Familie Simpson aus Taft, Kalifornien, Mr. und Mrs. Simpson mit ihrem kleinen Kind. Die Simpsons waren an jenem Tag etwa um ein Uhr mittags von zu Hause aufgebrochen, vermutlich um nach San Luis Obispo zu fahren. Um welche Uhrzeit haben sich ihre Wege dann gekreuzt? Wir wissen, wann Hans Ziemssen von der Autovermietung losgefahren ist, daher können wir davon ausgehen, dass die beiden Autos sich am frühen Abend begegnet sind. Aber als sie am nächsten Tag gefunden wurden, waren sie beide leer. Die Insassen waren verschwunden und hatten nur ihre Fahrzeuge und ihre Sachen zurückgelassen. Mitten in der Wüste, nicht zu vergessen. Selbstverständlich haben die Behörden die
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