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Der Graben: Thriller (German Edition)

Der Graben: Thriller (German Edition)

Titel: Der Graben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kôji Suzuki
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als der auf dem Bild ihrer Lehrerin, sie hatte ihn in die linke Ecke der Leinwand gezwängt. Obwohl er so klein war, erschien er bleischwer, als würde er sofort auf den Grund des Sees sinken, falls er hineinfallen sollte. Zudem wirkte er vollkommen leblos, mehr wie ein Roboter als wie ein Mensch.
    Das Bild der Lehrerin und Christines Bild… Beide wirkten verstörend. Die Lehrerin hatte sich von der bedrohlichen Aura der Wasseroberfläche inspirieren lassen und sich entschieden, das Ufer in surrealen Wellenformen darzustellen, während Christine den Surfer wie einen Toten gemalt hatte.
    An jenem Nachmittag wurde ein Surfbrett gefunden, das an einer anderen Stelle des Sees ans Ufer geschwemmt worden war. Es lag noch halb im Wasser, und die Leine, die am Brett befestigt war, hatte sich im dichten Gebüsch am Rand des Sees verfangen. Der Surfer war nirgends zu sehen, doch die Polizei brauchte nicht lange, um herauszufinden, dass es ein Student der Universität von Berkeley war. Der gleichfalls vermisste junge Mann hatte mit einem Kommilitonen in einer WG gelebt, und der Mitbewohner berichtete, der Surfer sei am Vorabend nicht nach Hause gekommen. Der Mitbewohner hatte sich nicht viel dabei gedacht, da der andere Student häufig über Nacht wegblieb, ohne jemandem Bescheid zu sagen.
    Wenn man den Windsurfer mitzählte, waren insgesamt fünf Menschen verschwunden. Bis zum heutigen Tag war von keinem je eine Spur gefunden worden.
    Nach seinem Bericht hielt Kitazawa für einen Augenblick inne, bevor er hinzufügte: »Es scheint eine Verbindung zwischen den Vermisstenfällen in den USA und denen in Japan zu geben. Oder ist es nur Zufall? All diese mysteriösen, unnatürlichen Vorfälle haben sich genau über einer Verwerfung ereignet.«
    Kitazawa verstummte und setzte sich langsam aufs Sofa, während er auf eine Antwort der anderen wartete.
    Der Computerbildschirm zeigte immer noch die Karte des Großraums San Francisco, doch niemand schaute mehr darauf. Es war klar, dass Kitazawas Geschichte weder unwahr noch übertrieben war. Er hatte schlicht und ergreifend die Fakten dargestellt. Doch ihnen allen fehlten nun die Worte. Sie hatten keine Ahnung, wie ein geologisches Phänomen wie eine Verwerfung eine Rolle beim Verschwinden von Menschen spielen konnte.
    Bevor sie in die Grundschule kam, hatte Saeko die meisten Sommer bei ihren Großeltern väterlicherseits verbracht. Ihr im traditionellen japanischen Stil erbautes Haus stand auf einem großen, üppig begrünten Grundstück hinter dem Bahnhof Kinomiya in Atami. Der Garten roch berauschend nach Erde, und der Wind wehte oft salzige Meeresluft herüber, die den Duft der Berge überdeckte. Jenseits der Hecke, die das Grundstück umgab, floss ein kleiner Bach namens Ito, dessen sanftes Murmeln die Luft zu erfrischen schien. Immer wenn Saekos Vater trotz seiner Arbeit Zeit freischaufeln konnte, war er mit Saeko gerne dort angeln gegangen.
    Es war Saekos Aufgabe gewesen, die Köder zu finden. Wenn sie große Steine im Garten umdrehte, sodass die feuchte Erde darunter zum Vorschein kam, stieg der kräftige Geruch von Regenwürmern und Matsch auf.
    Immer wenn sie einen ansehnlichen Regenwurm gefunden hatte, hielt sie ihn mit der Schuhspitze und der Kante eines Steins fest, um ihn in zwei Stücke zu teilen. Die Hälfte des Wurms ließ sie in ihre Köderbox fallen, die andere Hälfte verblieb unter dem Stein.
    Wenn du einen Regenwurm in zwei Hälften teilst, wächst er wieder nach.
    Saekos Vater hatte ihr erklärt, wie verletzte Regenwürmer sich regenerierten. Da sie den kostbaren Vorrat an Regenwürmern nicht plündern wollte, hatte sie es sich zur Gewohnheit gemacht, immer nur die Hälfte eines Wurms mitzunehmen.
    Wenn sie genügend Köder gesammelt hatte, kam ihr Vate r aus dem Haus.
    »Sae, lass uns gehen!«, rief er dann immer, zärtlich ihren Kosenamen benutzend. Er klopfte ihr auf die Schulter und ging den Pfad zum Bach hinunter. Auf dem Weg machte er keine Anstalten, seinen Schritt dem seiner Tochter anzupassen, sodass sie sich beeilen musste, um mitzukommen. Ohne den Blick von ihrem Vater zu wenden, hastete sie hinter ihm her, immer ein paar Schritte zurück, aber entschlossen, sich nicht abhängen zu lassen.
    Während sie unter den Bäumen hindurchschlüpfte, ihr Päckchen mit den durchtrennten Regenwürmern unter dem Arm, verlor sie ihren Vater manchmal kurz aus den Augen. »Papa!«, kreischte sie dann, von seltsamer Panik ergriffen, auch wenn er nur für eine Sekunde

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