Der Graben: Thriller (German Edition)
Kalender, Flugzeugpisten und Landebahnen für Ufos gedeutet wurden, doch bis zum heutigen Tag hatte noch niemand eine wirklich plausible Erklärung für sie liefern können.
Saeko hatte einmal auf dem Frontispiz eines Buchs im Arbeitszimmer ihres Vaters ein Bild eines der Nazca-Geoglyphen gesehen. Es sah aus wie ein riesiger Pfeil und endete in einer langen, geraden Rille, die sich über die Wüste erstreckte. Der fünfzig Meter lange Vektor, der von der Pfeilspitze ausging, zeigte laut Bildunterschrift genau auf den Südpol.
Die zur Seite geneigte T-Form, die auf Kitazawas Karte mitten durch das japanische Archipel schnitt, erstreckte sich locker über eine Entfernung von mehr als tausend Kilometern. Doch was bedeutete sie? War es ein Pfeil, der auf einen bestimmten Ort zeigte? Oder irgendein Zeichen?
Ohne ein Wort zu sagen, sah Kitazawa Saeko und Hashiba durchdringend an. Sein Blick war voller Ungeduld, als wartete er darauf, dass ihnen noch etwas anderes auffiel. Gleichzeitig schien er sie ungern in seine Gedanken einweihen zu wollen.
»Natürlich könnte es auch ein Zufall sein…« Er hielt inne und drehte den Computerbildschirm in ihre Richtung, sodass Hashiba und Saeko automatisch darauf starrten.
»Heute Nachmittag bin ich vor dem Computer eingenickt, als ich plötzlich diese Eingebung hatte. Eine vertikale Linie mitten durch Japan und eine horizontale Linie durch Shikoku und Kyushu… Auf der Highschool habe ich als naturwissenschaftliches Wahlfach Geografie genommen, und mir fiel wieder ein, dass ich in einem unserer Lehrbücher eine solche Abbildung gesehen hatte.«
Kitazawa hatte beim Anblick der Karte nicht an die Nazca -Linien gedacht, sondern an ein Highschool-Lehrbuch. Mit der Maus rief er eine Reliefkarte von Japan auf. Sie zeigte alle geografischen Merkmale des japanischen Archipels in dreidimensionalem Format, sodass die Eigenschaften der Landschaft leicht auf einen Blick zu erkennen waren.
Hashibas Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Die Fossa Magna? Das kann nicht sein!«
Kitazawa wandte sich ihm kurz zu und nickte, bevor er wieder auf den Bildschirm schaute. »Das kann nicht sein… Genau das habe ich auch gesagt. Aber wie erklären Sie dann das hier?«
Zwei geschwungene Linien erschienen über der detaillierten mehrfarbigen Reliefkarte. An derjenigen, die senkrecht vom westlichen Rand der Präfektur Niigata hinunter zur Stadt Shizuoka verlief, stand »Itoigawa-Shizuoka-Linie«. An der horizontalen Linie, die sich vom Suwa-See durch Shikoku und Kyushu erstreckte, stand »Median Tectonic Line«. Beide waren Hauptverwerfungslinien, an denen tektonische Platten aufeinandertreffen und entlang denen die Epizentren häufiger Erdbeben liegen.
Genau genommen war die Itoigawa-Shizuoka-Linie nicht dasselbe wie die Fossa Magna. Die Fossa Magna war ein U-förmiger Graben, über sechstausend Meter tief und ziemlich breit, der das japanische Archipel vertikal durchschnitt. Die Itoigawa-Shizuoka-Linie war im Grunde deren westlicher Rand. Wie der Name sagte, verlief die Linie in Nord-Süd-Richtung von Itoigawa durch Hakuba, Omachi, Ina, Okaya, Kobuchisawa, Kushigata und Minoba bis hinunter nach Shizuoka.
Es war nicht nötig, die beiden Karten gegenüberzustellen. Auf einen Blick war klar, dass die beiden tektonischen Linien perfekt mit der Verteilung der schwarzen Punkte übereinstimmten. Zum ersten Mal wurde Saeko bewusst, dass das Gebiet um Takato genau über einer aktiven Verwerfung lag. Nur zehn Kilometer südlich vom Haus der Fujimuras in Takato häuften sich sogar eine Menge weiterer schwarze Punkte. Es war die einzige Stelle auf der Karte, an der sich so viele Vermisstenfälle ballten.
Nur Hashiba begriff das Ausmaß der Situation.
»Das glaube ich nicht…«
Als er näher an den Bildschirm heranging, huschten seine Pupillen hierhin und dorthin, und er leckte sich die Lippen, als überlegte er angestrengt.
Der Grund, das Muster… Hashibas Gesicht war angespannt vor Konzentration, und seine Wangen waren leicht gerötet. Vielleicht war er auch nur kribbelig vor Aufregung beim Gedanken, dass er die Story von dem Zusammenhang zwischen Verwerfungslinien und mysteriösen Vermisstenfällen als Erster in seinem Sender bringen würde.
21
Saeko trat ans Fenster und presste die Wange gegen die Jalousie. Das Glas, das kalt von der Luft draußen war, kühlte zwar ihre Haut, linderte jedoch kaum ihre Erregung.
Als sie durch die Schlitze zwischen den Lamellen spähte, konnte sie die
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