Der Graben: Thriller (German Edition)
Intuition findet man selten.«
So lief es von Beginn an glänzend für den Verlag mit seinen nur drei Angestellten. Rasch wurde Wolles’ nächstes Buch veröffentlicht, schon bald gefolgt von einer Reihe von Sachbüchern über die Wunder der Natur. Jeder Titel wurde ein Bestseller, und da Shinichiro außerdem herausragende Führungsqualitäten besaß, wuchs das Unternehmen rasant.
Die Gewinnmarge des Verlags war hoch, zumal der Chef selbst die Übersetzungen anfertigte. Bald hatte Shinichiro seine Schulden abbezahlt, und der Verlag sah nie wieder einen Tropfen roter Tinte. Um dies zu erreichen, leistete Shinichiro persönlich Herkulesarbeit. Er schlief nachts nur zwei bis drei Stunden, kümmerte sich tagsüber um den Verlag und verkroch sich abends in seinem Büro, um neue Manuskripte zu gestalten. Jeder, der mit ihm zu tun hatte, staunte, was für ein übermenschliches Arbeitspensum er bewältigte.
Unterdessen heiratete er, bekam eine Tochter und verlor seine Frau, alles binnen eines Jahres. Als er seine Collegeliebe drei Jahre nach der Geschäftsgründung heiratete, war sie schon schwanger. Durch Komplikationen bei der Geburt des Kindes kam die junge Braut jedoch ums Leben, und Saeko verlor ihre Mutter am Tag, an dem sie zur Welt kam.
Dieser tragische Vorfall erschütterte Shinichiros Erfolgswelt. Vom Kummer überwältigt brachte er monatelang nicht den Willen auf, auch nur ein einziges Wort niederzuschreiben. Gleichzeitig war er hin und weg von seiner neugeborenen Tochter, die in seine Welt gekommen war, gerade als seine Frau diese verlassen hatte. Als alleinerziehendem Vater, unterstützt von verschiedenen Babysittern, gelang es ihm, sie zu einem gesunden, widerstandsfähigen Kind zu erziehen. Saekos Existenz gab ihm neuen Lebensmut und weckte sein Interesse an der Entwicklung von Lehrmaterial, ein Feld, an das er zuvor nicht einmal gedacht hatte.
Kurz nach Saekos Eintritt in die Grundschule begann Shinichiro, ihr die Prinzipien der Natur- und Sozialwissenschaften in kindgerechter Sprache zu erklären. Wann immer er konnte, nahm er sie mit zu seinen Rechercheausflügen. Sie besuchten historische Stätten, Tempel und berühmte Sehenswürdigkeiten rund um die Welt, und er brachte ihr bei, was er nur konnte. Dabei kam es nicht darauf an, ob sie es verstand oder nicht. Sie zu unterrichten wurde zu seinem größten Vergnügen, und sein Verlag veröffentlichte tatsächlich Lehrmaterialien für junge Lerner.
Im zehnten Geschäftsjahr hatte Shinichiro über fünfzig Angestellte unter sich und hatte seinen Traum vom Erwerb eines eigenen Verlagsgebäudes wahr gemacht. Er hatte siebzehn Werke übersetzt und sechs eigene Bücher geschrieben.
Dank seiner Bücher und Übersetzungen war sein Einkommen erheblich gestiegen, sodass er nun zu den Reichsten in seiner Branche zählte.
Das Jahr, in dem Shinichiro verschwand, war das zwanzigste Geschäftsjahr seines Verlags. Zu dem Zeitpunkt beschäftigte er 150 Leute und erreichte Verkaufszahlen von über 50 Milliarden Yen im Jahr. Sein Betrieb hatte sich zu einem gut etablierten mittelgroßen Verlagshaus gemausert.
Doch allen, einschließlich der leitenden Angestellten, war sehr wohl bewusst, dass es Shinichiro Kuriyama war, der den Betrieb zu dem machte, was er war. Als sie ihre treibende Kraft verlor, beschloss die Führungsetage, das Geschäft aufzugeben, bevor es mit den Aufträgen bergab ging und sie in die roten Zahlen rutschten. Sie brachten die Geschäftsbücher in Ordnung, und alle Mitarbeiter fanden Anstellungen bei anderen Verlagen.
Ein vertrauenswürdiger Anwalt regelte Shinichiros persönliche Finanzen. Die Geschäftskonten wurden von einer Treuhandbank verwaltet, und nicht einmal Saeko wusste, wie hoch das Guthaben darauf war. Sie brauchte sicherlich nicht zu arbeiten, doch sie schrieb nicht, um ihre Rechnungen bezahlen zu können. Es stillte ihre Neugier, gab ihrem Leben einen Sinn und ihr das Gefühl, ihre Zeit mit etwas Sinnvollem zu füllen. Nichts liebte sie mehr, als ein Thema zu finden, das sie faszinierte, etwas darüber zu lernen und es in ihren eigenen Worten zu formulieren.
28
Während er Saekos Bericht lauschte, merkte Hashiba, dass er sich dunkel an Shinichiro Kuriyamas Namen und Gesicht erinnern konnte. »Jetzt erinnere ich mich. Ich hatte keine Ahnung, dass er dein Vater war! Ich glaube, ich war im zweiten Jahr auf der Highschool, es war kurz vor den Sommerferien. In den Talkshows wurde tagelang über nichts anderes geredet als über das
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