Der Grabritter (German Edition)
seinem Wagen das Gelände vor dem BKA verließ, stand Herzog am Fenster und sah ihm nach. Dann ging er langsam zu seinem Schreibtisch zurück und starrte einen Moment lang versonnen auf die Akte vor sich. Er schüttelte den Kopf und arbeitete weiter.
Im noblen Villenviertel von Bad Godesberg, einem Vorort von Bonn, fuhr Marquart mit quietschenden Reifen in die Auffahrt zu einer Jugendstilvilla hoch und parkte seinen Wagen. Er stieg aus und eilte mit schnellen Schritten zur Haustür. Endlich konnte er etwas unternehmen. Der kurze Blick in die Akte hatte ihm genug verraten. Der Fall war von der Kripo Offenburg Prinz Eugen Straße aufgenommen worden. Marquart öffnete die Tür und warf seinen Hut und Mantel auf die Garderobe in der Diele. Dann ging er durch zum Wohnzimmer. Groß und kahl wirkte der Raum mit den hohen Decken, und auch nicht gerade sauber. Kein einziges Bild hing an den Wänden. Auf den Fensterbrettern herrschte gähnende Leere. K ein noch so kleines Accessoire war auf den Ablagen oder in den Regalen der Schränke zu entdecken. Nichts von all dem, was in der Regel aus einem Haus ein Zuhause machte war hier. Marquart wohnte alleine. Eigentlich wohnte er alleine, solange er denken konnte, und das war ihm auch lieb so. Es gab ihm ein Gefühl von Sicherheit. Er traute niemandem über den Weg. Eine Familie hatte er nicht mehr. Seine Eltern waren längst tot. Ihr Grab, das er noch nie gesehen hatte, war an jenem verhassten Ort, an dem er als Kind aufgewachsen war. Arcadia in Oklahoma. Schon vor langer Zeit hatte er seine Eltern und dieses verschlafene Nest aus seinem Gedächtnis gestrichen.
Schon damals, als Junge, war er anders gewesen und ein Vorfall in dieser Zeit hatte für erhebliches Aufsehen gesorgt. Ein em kleine n Mädchen hatte er einen Stoffbeutel über den Kopf gestülpt und es in eine Scheune geschleppt. E s war der Göre gelungen, mit letzter Kraft , ein paar laute Schreie auszustoßen . D as Ehepaar, denen die Scheune gehörte, waren in ihrem Haus nebenan wach geworden und hatte nachgesehen.
Gerade noch rechtzeitig hatte er sich aus dem Staub machen können. Mehrmals war er während der Ermittlungen in der Sache befragt worden. D er zuständige Sheriff wollte einfach nicht locker lassen. Der Boden dort wurde ihm endgültig zu heiß. Obwohl man ihm in diesem Fall nichts beweisen konnte , war er ein paar Monate später nach New York gezogen. Die Anonymität des Molochs verschluckte ihn . Seine Eltern zu verlassen, hatte ihm nicht das Geringste ausgemacht. Sie hatten sich, solange er denken konnte, kaum um ihn gekümmert. Sein Vater war ein in der ganzen Gegend bekannter Alkoholiker gewesen. Seine Mutter hatte wohl schon die Männer der halben Stadt in ihrem Bett gehabt.
Er konnte sich nicht daran erinnern, dass einer der Beiden auch nur einmal ein gutes Wort für ihn gehabt hätte. Nur ein einziges Mal hatte seine Mutter ihn in den Arm genommen. Ein Brief war gekommen. Nachdem sie ihn gelesen hatte war sie in Tränen ausgebrochen, hatte ihn umarmt und fest an sich gedrückt. Aus dem Briefumschlag, den sie in der Hand hielt, war ein Foto herausgefallen. Als er sich bücken wollte, um es aufzuheben, kam sie ihm zuvor und steckte es zusammen mit dem Brief in ihre Tasche. Er hatte dennoch etwas erkennen können und war sich sicher gewesen, auf dem Bild zwei Neugeborene gesehen zu haben. Auf sein Nachfragen hin war seine Mutter sofort zu ihrer alten Schroffheit zurückgekehrt und hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass ihn dieser Brief nichts anginge. Eine ganze Zeit lang hatte ihn die Sache noch beschäftigt. Überall im Haus hatte er damals nach dem Brief und dem Foto gesucht. Beides blieb verschwunden und so geriet das Ganze für ihn schließlich in Vergessenheit.
In New York angekommen hatte er all das hinter sich gelassen. Seine ganze Vergangenheit war mit einem Schlag ausgelöscht und sollte es auch bleiben. Er besaß zwar so gut wie nichts, hatte aber ein paar wesentliche Voraussetzungen, die ihm hier weiterhelfen konnten. Er war clever und …….er war absolut skrupellos. In dieser Zeit war er zum ersten Mal mit der Organisation der Vigianis in Berührung gekommen. Seine Neigungen hatten ihn in ein Netzwerk geführt, aus dem es bald kein Entkommen mehr gab. Einerseits eröffnete es ihm ungeahnte Möglichkeiten, andererseits war er diesen Leuten schon nach kurzer Zeit vollkommen ausgeliefert. Diese Organisation war es auch, die ihn schließlich, zunächst nur als
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