Der Grabritter (German Edition)
Ritter Marcus verdrehte die Augen, und um ihn herum gingen die Lichter aus.
Mit einem fürchterlichen Kater wachte er in einem Zimmer der alten Herberge im Vatikan auf. Er drehte sich vorsichtig, jede ruckartige Bewegung vermeidend, noch einmal im Bett um und ließ den Abend mit den Rittern in Gedanken an sich vorbeiziehen. Genauso wie diese Männer kämpfen konnten, so konnten sie auch trinken. Da jeder von ihnen mit ihm, dem frischgebackenen Grabritter, anstoßen wollte, war er schon bald dem Untergang geweiht. Vier der Ritter hatten ihn, nachdem er steif von seinem Stuhl gekippt war, an Armen und Beinen gepackt und kurzerhand ins Bett geworfen. Nach langer Zeit waren es ein paar Stunden gewesen, in denen Kerner fast all die schlimmen und traurigen Ereignisse der letzten Wochen vergessen hatte. Er hatte in diesem Kreis etwas gefunden, nach dem er, wenn auch eher unbewusst, schon sein ganzes Leben gesucht hatte. Menschen, für die Begriffe wie Freundschaft, Ehre und Gerechtigkeit noch eine Bedeutung hatten.
Es klopfte an seiner Tür, und Siegfried von Löwenberg kam herein. Kerner drehte sich herum und wollte gerade einen Scherz machen. Als er in das Gesicht des Grabritters sah, ließ er es. Mit ernster Miene kam Graf Siegfried zum Bett und setzte sich darauf. »Du willst diesen Marquart haben? Dann komm mit. Wir holen ihn uns.« Kerner starrte den riesigen Grabritter einen Moment lang ungläubig an. Dann sprang er aus dem Bett. Er ging zu einem Waschbecken in der Ecke des Zimmers. Er hielt den Kopf unter das kalte Wasser. Das dumpfe Gefühl verebbte, und seine Gedanken begannen sich zu ordnen. Er nahm ein Handtuch und trocknete sich ab. Dann sah er Graf Siegfried, der noch auf dem Bett saß, fordernd an. »Wo ist er?« Der Grabritter stand auf. »Er steckt in einem Dschungelcamp im Kongo. Fiz Patric wartet auf uns. Er wird uns gleich alles Weitere erzählen.«
Sie verließen das Zimmer und gingen zu dem großen Raum, in dem sie gestern Abend noch so unbeschwert gefeiert hatten. Der Großmeister saß mit einer Tasse Kaffee am Tisch. Als sie hereinkamen, stand er auf und holte auch für die beiden eine Tasse. Dann saßen sie gemeinsam da und John Fiz Patric begann zu berichten. »Ich habe vor einer halben Stunde einen Anruf vom UN-Generalsekretär erhalten. Ein Offizier der im Kongo stationierten Blauhelmsoldaten hat eine Information an die UNO gegeben. Demnach hält sich seit ein paar Tagen in einem Rebellencamp des Generals ein weißer Mann auf. Die Beschreibung passt haargenau auf diesen Kriminalrat Marquart. Wir wissen außerdem durch die Aussagen von Advokato Ragusa, dass dieser General Gelder in großem Umfang von Conte Vigiani erhalten hat. Es ist also mit Sicherheit anzunehmen, dass es sich bei diesem weißen Mann um Marquart handelt. Die Sache hat nur einen großen Haken. Die Blauhelme dort unten dürfen nichts unternehmen. Sie können nur beobachten. Sie haben kein Mandat, um sich an irgendwelchen Aktionen aktiv zu beteiligen. Sie würden sonst ihren ganzen Aufenthalt in der Region gefährden.« Kerners Hand ballte sich zur Faust.
»Also sitzt dieser Kinderschänder und Mörder dort im Dschungel, und niemand kommt an ihn ran!« John Fiz Patric lehnte sich etwas zurück. Seine Stimme war ruhig, als er antwortete. »Ich habe mit keiner anderen Reaktion von dir gerechnet, Ritter Marcus. Deshalb habe ich auch noch einmal telefoniert. Der UN-Generalsekretär hat mir eine Nummer gegeben, unter der wir einen Offizier der Blauhelme erreichen. Er ist unweit dieses Camps stationiert. Er hat sich bereit erklärt, eine kleine Gruppe gut ausgebildeter Männer zu dem Versteck des Generals zu führen. Mehr kann er nicht tun. Alles, was danach geschieht, ist Sache derer, die dort hingehen. Offiziell weiß niemand von nichts. Wenn bei einer solchen Aktion etwas schief läuft, gibt es keine Rettung.«
Kerner sah den Großmeister an. »Bitte, Sir John, rufen Sie den Mann an und vereinbaren ein Treffen dort unten. Wenn es unser Motto ist, für Gerechtigkeit zu sorgen, sind wir in diesem Camp verdammt noch mal richtig.« Graf Siegfried hatte sich bisher zurückgehalten. Jetzt meldete er sich zu Wort. »Wie viele Leute willst du mitnehmen, Marcus?« Kerner überlegte nur kurz. »Außer mir höchstens noch zwei. Unser größter Vorteil, den wir dort haben, ist die Überraschung. Wenn wir mit einer großen Gruppe durch den Dschungel marschieren, werden sie uns in diesem Camp schon lange erwarten, bevor wir
Weitere Kostenlose Bücher