Der Grabritter (German Edition)
Er drehte ihn herum und öffnete das Fach, das Heinrich Himmler vor mehr als sechzig Jahren verschlossen hatte. Von Bonstetten trat vor und nahm den Metallkasten heraus. Er war klein, nicht viel größer als ein Schuhkarton. Der Direktor trug ihn zum Tisch und stellte ihn dort ab. Danach wandte er sich wieder den beiden Männern zu. »Wir lassen Sie jetzt alleine. Wenn Sie fertig sind, bitte ich Sie zu klingeln. Der Knopf befindet sich neben der Tür.« Die beiden Direktoren warfen sich einen kurzen Blick zu und verließen den Tresorraum. Ferruccio Vigiani und James Lambert-Jackson waren nun allein in dem großen Raum. Jetzt, nach all den vielen Jahren, in denen so viele schon vergeblich danach gesucht hatten, sollte das Geheimnis um das verschollene Nazigold gelüftet werden. Ein wahrlich großer Moment selbst im Leben dieser beiden Männer, denen Geld und Macht schon in die Wiege gelegt worden war. Sie öffneten den Kasten und sahen hinein. Ein unscheinbarer alter brauner Umschlag lag darin. Er war mit rotem Wachs versiegelt . Darin erkannte man die Umrisse des unheilverkündenden Symbols der SS. Der Totenschädel mit den gekreuzten Knochen. Genau wie auf dem Ring, der in ihrem Besitz war. Ferruccio nahm den Umschlag und hielt ihn einen Moment lang in den Händen. Dann brach er das Siegel und zog den Inhalt heraus. Zum Vorschein kamen eine zusammengefaltete alte Landkarte und ein Brief. Der Conte nahm den Brief und öffnete ihn. Er war in altdeutscher Schrift verfasst und trug eine unverkennbare Unterschrift. Die Unterschrift von Heinrich Himmler, dem ehemaligen Reichsführer SS.
Das Telefon klingelte in dem Raum mit den hohen Decken und der spartanischen Ausstattung. Die Fenster, durch die das Sonnenlicht des frühen Nachmittags fiel, schimmerten in allen Farben. Man erkannte Figuren darauf. Wenn man sie nacheinander betrachtete, erzählten sie die Leidensgeschichte von Jesus. Auch die Wände zeigten Malereien aus der Geschichte der katholischen Kirche. In einem große n offene n Kamin, brannten knisternd ein paar wuchtige Holzscheite , und verbreiteten eine wohlige Wärme . Auf dem weiß verputzten Kaminsims waren zwei Wappen eingearbeitet. Eines zeigte zwei gekreuzte Schlüssel, die von einer Kordel zusammengehalten wurden. Darüber … die Tiara, d ie Krone des Papstes. Auf dem anderen Wappen war eine Rittergestalt, die vor sich ein Schild mit fünf Kreuzen trug. Ein großes Kreuz bildete den Mittelpunkt, die anderen waren darum herum angeordnet. Sie symbolisierten die Wunden Christi bei seiner Kreuzigung. Zu beiden Seiten des Ritters befand sich ein Engel. Es war das Wappen der Grabritter von Jerusalem, einem uralten Ritterorden, der unter dem persönlichen Schutz des Papstes stand. Unter dem Wappen war eine Inschrift zu lesen: Mein Arm und mein Schwert für die Gerechtigkeit. D as Motto, dem sich alle Grabritter vor allem anderen verpflichtet fühlten und wonach sich ihr ganzes Leben und Handeln richtete.
Es dauert eine Weile. Schließlich stapfte ein Mann von kräftiger Statur und mittleren Alters, dessen riesiger Schnauzbart fast seinen ganzen Mund verdeckte, in das Zimmer. » Ja, ja … ich komme schon.« Der Mann, der an einen Grizzlyb ären erinnerte, war Sir John Fiz Patric, der Großmeister aller Grabritter. Er trug eine einfache braune Kutte, die um die Hüften durch eine geflochtene Schur gebunden war. Sir John nahm den Hörer ab und am anderen Ende meldete sich Herbert von Bonstetten, einer der Direktoren der Züricher Bank, Rüd, Lehmann & Koch. Was jedoch niemand sonst in der Bank wusste, von Bonstetten hatte noch eine ganz andere, sehr viel weitreichendere Funktion. Er war einer der Grabritter von Jerusalem.
20
Zwei ganze Tage lang lief nun schon das Programm auf Sams Computer. Mit immer mehr Details zu dem Fall hatte er ihn in dieser Zeit gefüttert. Kerner war überwiegend damit beschäftigt gewesen, zu telefonieren und weitere Informationen zu sammeln, während Sam alles, was der Computer ausspuckte, auswertete und Übereinstimmungen herausarbeitete. Am Abend des zweiten Tages waren sie endlich fertig.
Sam schaltete den Computer ab. Er massierte sich den Nacken, zog seine Brille ab und rieb sich die müden Augen. In den letzten drei Tagen hatten sie keine zehn Stunden geschlafen. Kerner trat hinter Sam an den Schreibtisch. »Schluss jetzt, Sam«, sagte er . »Du brauchst dringend ein paar Stunden Schlaf.« Sam beugte sich vor und nahm zwei
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