Der Graf und die Diebin
Papier und tauchte die Feder ein. Mme de Fador würde ihn begeistert empfangen, ihm sehr nützlich sein. Allerdings hatte das seinen Preis. Sie war schon um die vierzig, aber immer noch eine ungewöhnlich schöne Frau.
Christian war nicht bereit, diesen Preis zu zahlen. Schon um seiner Mutter willen, die er geliebt hatte. Ihren Kummer hatte er erst nach ihrem Tod begriffen, doch er hatte ihn tief getroffen. Er würde Marguerite de Fador höflich und respektvoll entgegentreten. Ihr Liebhaber wollte er keinesfalls werden.
Nachdem er das Schreiben versiegelt und Bertrand zum Versenden übergeben hatte, ließ er Claude zu sich rufen. Der Gute würde sehr überrascht sein. Christian hatte die Absicht, ihn für die Zeit seiner Abwesenheit zu seinem Verwalter zu machen. Das würde ihn auf andere Gedanken bringen, denn seit dem gestrigen Morgen redete er nur noch von dieser verführerischen Dorfnymphe, die er nackt am Bach gesehen hatte. Er hatte sogar im Dorf nach ihr forschen lassen – ohne Erfolg. René hatte daraufhin behauptet, Claude sei einer Fieberfantasie erlegen und hatte sich vor Lachen auf die Schenkel geschlagen. Christian hatte einen ernsthaften Streit seiner beiden Gefährten gerade noch verhindern können.
Marthe musste sich auf einen Stuhl setzen. Voller Entsetzen starrte sie in den Korb, der nur drei halb zerrissene Wäschestücke enthielt. Nur langsam wurde ihr die Tragweite des Unglücks klar. Sie würde die verlorenen Kleider ersetzen müssen.
„Ich kann nichts dafür....“, versicherte ihr Jeanne nun schon zum dritten Mal. „Der Mann ist auf mich zugelaufen, und ich bin geflüchtet....“
„Was für ein Mann?“
„Einer aus dem Schloss. Nicht sehr groß und schmal. Einer von den beiden Männern, mit denen der Comte umherreitet....“
Marthe packte sie bei den Haaren und zog sie zu sich heran. Jeanne schrie auf und wehrte sich, doch Marthes Griff war fest. „Dachte ich es mir doch. Mit denen vom Schloss hast du dich eingelassen. Gib’s nur zu. Hast mit dem jungen Herrn im Gras gelegen, und derweil ist dir die Wäsche gestohlen worden!“
„Nein!“
Jeanne packte das Handgelenk der Mutter und riss daran – schließlich ließ Marthe sie erschöpft los. Wütend stampfte das Mädel mit dem Fuß auf. Oh, wie sie es satt hatte, immer nur die Schuldige sein zu müssen!
„Ich hab gesagt, was wahr ist. Das kann ich schwören bei allen Heiligen! Davongelaufen bin ich, und als ich zurückgekommen bin, da war der Korb leer.“
Marthe wusste nicht, was sie glauben sollte. Die Geschichte kam ihr sonderbar vor, aber Jeannes Empörung war echt, das stand außer Zweifel. „Wo hast das Hemd, das ich dir genäht hab’?“ Sie sah die Röte, die in Jeannes Wangen aufstieg und erriet im gleichen Moment, was geschehen war. „Ausgezogen hast du dich. Nackt hast du dagestanden. Und da hat er dich gesehen. Ja, bist du denn so einfältig, oder tust du nur so?“
Jeanne zog sich hastig in eine Ecke der Küche zurück, doch die Mutter war jetzt zu erschöpft, um sie weiter zu schlagen. Stattdessen lehnte sie den Kopf zurück und starrte hilflos zu den hölzernen Deckenbalken hinauf. Drei Töchter hatte sie verheiratet, ein Sohn war in den Krieg gezogen und nie zurückgekommen. Dieses Kind aber, die Jüngste, war eine Strafe des Himmels. Marthe wusste wohl, wofür sie so gestraft wurde. Sie hatte dieses Kind damals zwar unfreiwillig, aber in unbändiger, nie gekannter Lust empfangen.
Solche Lust konnte nur vom Teufel kommen, und der steckte auch in diesem Kind. „Ich mach es wieder gut, Mutter“, hörte sie Jeannes bittende Stimme. „Ich will arbeiten gehen und Geld verdienen. Das bring ich dir heim, ich schwöre es....“
Marthe nickte vor sich hin. Geld verdienen? Ja, wenn sie zum Schloss ging, da würde der Comte wohl ein paar Tage lang seinen Spaß mit ihr haben und ihr vielleicht auch einen Louisdor schenken. Der Comte war großzügig, die Mädels aus dem Dorf, mit denen er es trieb, waren reich entlohnt worden.
Vielleicht würde das ihr Weg sein? Ein böser Weg, ein sündiger Weg. Aber es war ihr wohl so bestimmt. In Lust war sie empfangen worden, dieses Zigeunerkind, und die Wollust lag ihr im Blut. Sollte sie zum Schloss gehen – besser, sie gab sich dem Comte oder seinen Freunden hin, als dass Pierre mit ihr in Sünde fiel.
Marthe öffnete eine Truhe und wühlte einen alten Sack hervor. Sie legte ein paar Socken, ein altes Hemd und ein kleines Brot hinein. Geld konnte sie ihr keines
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