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Der Graf und die Diebin

Der Graf und die Diebin

Titel: Der Graf und die Diebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Amber
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Griff, spuckte die Burschen an – als einer sie anfassen wollte, biss sie ihm in den Finger. Er gab ihr eine Ohrfeige dafür, die mit lautem Gejohle quittiert wurde.
    „Passt auf! Das Kätzchen hat scharfe Krallen!“
    „Legt sie übers Knie und verprügelt sie.“
    „Die Röcke hoch. Auf den blanken Hintern!“
    „Vorsicht! Sie beißt!“
    Jeanne war am Ende ihrer Kräfte. Aber sie würde nicht aufgeben. Lieber wollte sie sterben, als sich so demütigen zu lassen. Sie trat mit den Füßen um sich und erntete noch mehr Gelächter.
    Vor ihren Augen erschienen gelbe Flecken. War es die Sonne? Oder der Staub der Straße? Die Burschen hörten plötzlich auf an ihr herumzuzerren. „Aus dem Weg!“
    „Eine Reisekutsche.“
    Wie durch einen Nebel sah sie zwei braune Pferde auf sich zutraben, hörte das Geräusch der Hufe, das Knarren der Räder, dann wurde sie zur Seite gerissen, und die Kutsche rasselte dicht an ihr vorüber.
    „Was ist da los?“
    Es war die Stimme eines jungen Mannes, hell und energisch, gewohnt, Befehle zu erteilen. Der Kutscher hatte die Pferde gezügelt, der Kutschenschlag öffnete sich, und ein Mann stieg heraus. Jeanne sah voller Staunen auf seinen prächtig gestickten Rock, die weiten Hosen und die weißen Seidenstrümpfe.
    „Der Comte!“
    Man ließ sie los und beugte den Rücken vor dem Herrn, einige fielen sogar auf die Knie. ur Jeanne stand aufrecht und starrte den jungen Mann an. Sie hatte den Comte hin und wieder von Ferne gesehen, wenn er mit seinen Gefährten über die Felder ritt. Er war sehr gut an dem lockigen, blonden Haar zu erkennen, das er schulterlang trug. Doch da hatte er ein dunkles Lederwams und einen lockeren Reitmantel darüber angehabt. Jetzt aber war er geschmückt wie ein Prinz.
    „Bekomme ich eine Antwort?“, fragte er ungeduldig und sah in die Runde. Einer der Knechte bewegte sich mit untertäniger Miene auf ihn zu.
    „Mit Verlaub, Euer Gnaden. Wir haben eine Hühnerdiebin gefangen.“
    „Eine Hühnerdiebin?“
    Die dunklen Augen des jungen Mannes richteten sich mit fragendem Blick auf Jeanne. Sie schüttelte energisch den Kopf. „Ich habe nichts gestohlen. Ich habe mir nur das genommen, was mir zustand.“
    Er lächelte. Für eine Diebin war sie erstaunlich selbstbewusst.
    „Dir stand also ein Huhn zu?“
    Jeanne ärgerte sich über den herablassenden Ton. Er machte sich lustig über sie, der „große Herr“. „Da ich den ausgemachten Lohn nicht erhalten habe, nahm ich mir das Huhn“, sagte sie wütend. „Oder soll ich vielleicht verhungern?“
    Inzwischen waren von allen Seiten neugierige Dorfbewohner herbeigelaufen, um ja nichts zu versäumen. Mit langen Hälsen und offenen Mündern standen sie und starrten auf den prächtig gekleideten Comte. Auch der Bauer war herbeigeeilt und drängte sich durch die Umstehenden.
    „Eine Diebin, Euer Gnaden“, keuchte er und versank in einer tiefen Verbeugung. „Sie hat mich bestohlen, die Zigeunerin.“
    Jeanne fuhr zornig herum. „Ich bin keine Zigeunerin! Ich bin Jeanne Chabrot, die Tochter von Marthe und Pierre Chabrot aus Kerrignan.“
    „Wer’s glaubt“, erwiderte der Bauer höhnisch. „Schaut sie doch an, Herr. Sieht sie aus wie eine von hier? Eine Zigeunerschlampe ist sie.“
    Man musste Jeanne festhalten, sonst wäre sie dem Bauern an den Hals gefahren. Der Comte betrachtete sie lächelnd, wie sie von zwei Knechten gehalten vor ihm stand. Tränen der Wut liefen ihr die Wangen herab.
    Eine kleine Schönheit war dieses Mädel. Aber das war es nicht, was ihn fesselte. Sie hatte Haltung. Sie kämpfte selbst noch auf verlorenem Posten.
    „Wo ist das Huhn, das du gestohlen hast, Jeanne“, fragte er mit strenger Stimme.
    „Was weiß ich. Weggeflogen ist es.“
    Der Comte wandte sich an den Bauern, der gar nicht aufhören wollte, sich vor ihm zu verneigen.
    „Ich sehe nicht, dass sie etwas gestohlen hätte“, sagte er freundlich. „Oder sieht jemand hier ein gestohlenes Huhn?“
    Alles schwieg. Der Bauer sah sich von seinen Leuten im Stich gelassen und kochte innerlich vor Zorn. Jetzt würde der Herr sich nehmen, was ihm vorenthalten worden war. So waren sie, die hohen Herren. Er täuschte sich nicht.
    „Sitz hinten auf“, befahl der Comte der kleinen Hühnerdiebin. „Wir werden den Fall untersuchen. Wenn sich herausstellen sollte, dass du im Recht bist, wirst du deinen Lohn erhalten.“
    Jeanne wich zurück, als einer der beiden Diener – die hinten auf der Kutsche gesessen hatten – ihr die

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