Der Graf und die Diebin
hörte sie die Schritte eines Dieners und warf sich hastig das Tuch um die Schultern. „Wenn Ihr mir bitte folgen wollt ...“
Jeanne erschien es, als erwache sie aus einer tiefen Betäubung. Kaum bemerkte sie, dass der distinguiert aussehende Diener sie jetzt mit ausgesuchter Höflichkeit behandelte. In ihrem Inneren stieg Beschämung auf. Er hatte sie angestarrt und sich über sie amüsiert.
Er hatte sie taxiert und begutachtet wie eine Stute auf dem Pferdemarkt. Nie zuvor hatte jemand sie so gedemütigt. Warum hatte sie das geschehen lassen?
Christian hatte sich in den roten Salon zurückgezogen und dort in einen der Sessel fallen lassen. Was für ein Mädchen! Ein Stück praller, irdischer Lust und himmlischer Verführungskraft. Ein Körper, wie für die Sinnenlust geschaffen und dabei eine bezaubernde, fast kindliche Art. Wer hatte ihm dieses süße Wesen zugeführt? Engel oder Teufel?
Wer auch immer. Die kleine Hühnerdiebin war tausendmal mehr Wert als der ganze Königshof. Zum Teufel mit Ludwig und seiner Eitelkeit. Zum Teufel auch mit Marguerite de Fador und ihrer Protektion. Er brauchte sie beide nicht.
Er versuchte sich zu entspannen, aber es gelang ihm schlecht. Sein Glied war hoch aufgerichtet und jeder Gedanke an das, was er gerade eben gesehen hatte, brachte ihn einem Erguss näher.
Geduld , dachte er ärgerlich. Was ist los mit mir?
Er würde sich noch ein paar Tage beherrschen. Sie sollte nicht das Gefühl bekommen, mit ihm spielen zu können.
Als die Bettvorhänge beiseite gezogen wurden, blinzelte Jeanne in das helle Morgenlicht, das den Raum durchflutete. „Guten Morgen, Mademoiselle.“
Vor ihr stand eine zierliche Kammerzofe und lächelte ihr schüchtern zu. Auf einigen Stühlen war eine hellblaue Brokatrobe ausgebreitet, dazu ein Unterkleid mit weiten Spitzenärmeln, seidene Röcke, ein Schnürlaibchen, seidene Strümpfe. Ein Paar zierlicher, hellblauer Pantöffelchen stand daneben. Jeanne warf nur einen kurzen Blick über all diese Kostbarkeiten.
„Ich ziehe diese Sachen nicht an!“
Die Kammerzofe sah erschrocken und verständnislos auf die junge Frau, die mit angezogenen Knien im Bett hockte und sie böse anstarrte.
„Seine Gnaden haben mir befohlen, diese Sachen für Euch zurechtzulegen, Mademoiselle“, stammelte sie.
„Ich will sie nicht“, beharrte Jeanne. „Gib mir die Kleider, in denen ich gekommen bin.“
Die Zofe errötete. Man hatte Jeannes Kleider fortgeworfen, aber das wagte sie nicht zu gestehen.
„Aber....“, widersprach sie schüchtern. „Diese Kleider sind doch wunderschön. Die selige Comtesse hat sie für eine Nichte anfertigen lassen, und die hat sie nur ein einiges Mal zu einem Besuch hier getragen.“
Jeanne schüttelte eigensinnig den Kopf. „Bring mir meine Sachen.“
„Ich will sehen, was möglich ist, Mademoiselle.“
Die kleine Zofe verbeugte sich und eilte davon. Sie verstand dieses seltsame Mädchen nicht. Sie, Nadine, hätte ihre Freude daran gehabt, sie zu schnüren, ihr das Haar nach der Mode zu frisieren, sie zu pudern und zu schminken. Sie hatte eine Kollektion der feinsten Parfums – noch aus den Beständen der seligen Comtesse – herbeigeholt und eine Menge Schleifen, Spitzentüchlein und sogar einige Schmuckstücke bereitgelegt. Alle diese schönen Dinge, die ihre Leidenschaft waren und die leider immer nur für andere Frauen, aber niemals für sie selbst – die unscheinbare Kammerzofe Nadine – bestimmt waren.
Sie brachte Jeanne einige einfache Röcke, ein Unterkleid und ein Leibchen und half ihr die Sachen anzuziehen. Sie war fasziniert von ihrer neuen Herrin. Wie schön sie war. Wie die Brüste so üppig und hoch standen, wie schmal ihre Taille war, und wie aufreizend sie ihre Hüften schwang. Sie hatte einen wohlgeformten, nicht zu kleinen Po, und ihr Schamhügel war von einem reichen, schwarzlockigen Vlies bedeckt. Nadine bemühte sich, ihre Herrin beim Überstreifen der Kleidung nicht zu berühren, obgleich sie es gern getan hätte.
Jeanne fand es merkwürdig, beim Ankleiden Hilfe zu bekommen, aber sie begriff, dass diese schmächtige kleine Person mit den erschreckten wasserblauen Augen nur ihre Aufgabe erfüllte.
Es kostete einige Mühe, das üppige schwarze Haar durchzukämmen und aufzustecken. Jeanne hätte fast gelacht, als sie sah, wie ernsthaft und begeistert die Zofe sich dieser Aufgabe hingab. Konnte es wirklich wahr sein, dass dieses Mädchen nur dafür lebte, andere Frauen anzukleiden und ihnen
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