Der Graf und die Diebin
törichte Mädel. „Hör zu, Jeanne“, lenkte er ein. „Wenn du Geld verdienen willst, so kannst du es auch hier bei mir tun. Ich biete dir eine Stellung im Schloss.“
Sie lachte höhnisch und warf stolz den Kopf zurück. „Als Küchenmädchen? Nein, danke.“
Er geriet in Aufregung. Was für eine Arroganz! Was wollte sie eigentlich? Warum spielte sie ihm dieses Theater vor? „Schluss jetzt!“, schimpfte er. „Ich will, dass du bleibst. Hörst du? Ich will es, und du hast zu gehorchen!“
Er hatte die letzten Worte fast geschrien und schlug zornig mit der Faust auf den Tisch, an dem er kurz zuvor noch die Waffen geprüft hatte. Die Armbrust erzitterte, die frisch eingespannte Sehne schnellte vor, und der Pfeil zischte in den Raum hinein. Jeanne schrie vor Schreck laut auf, taumelte und sank zu Boden.
Christian war starr vor Entsetzen. Dann stürzte er zu ihr, kniete am Boden und umfasste mit beiden Händen ihr blasses Gesicht. „Jeanne! Jeanne! Um Gottes Willen – was habe ich getan?“
Er untersuchte sie mit zitternden Händen und stellte fest, dass der Pfeil ihren rechten Ärmel dicht am Ellbogen durchbohrt hatte. Der weiße Stoff begann sich um die Einschussstelle rot zu färben.
„Jeanne! So wach doch auf. Jeanne!“ Er saugte an ihren Lippen, bedeckte ihre Wangen mit zärtlichen Küssen, rieb ihr die Schläfen, bis sie die Augen öffnete. Groß und verwundert sah sie ihn an. „Verzeih mir, Jeanne“, stammelte er. „Ich.... ich wollte das nicht.“
Er strich ihr zärtlich über die Wange und riss dann ihren Ärmel auf, um nach der Wunde zu sehen.
„Es ist nur ein wenig Haut verletzt. Wir haben ungeheures Glück gehabt.“
Er rief nach Bertrand.
Nadine hatte die schweren Samtvorhänge vor die Fenster gezogen, sodass das Schlafzimmer im Dämmerlicht lag. Jeanne lag blass und still in den Kissen und sah zu dem dunkelroten Brokathimmel hinauf, der mit kleinen goldenen Vöglein bestickt war.
„Es ist nicht schlimm, Mademoiselle. Machen Sie sich keine Sorgen. Man wird nicht einmal eine Narbe sehen.“
Nadines Stimme klang leise und beruhigend. Jeanne gab sich ihr hin und schloss die Augen, während Nadine die Wunde vorsichtig mit einer warmen, gelblichen Flüssigkeit reinigte.
„Der Comte wollte einen Arzt kommen lassen“, plauderte sie. „Mein Gott, ganz außer sich ist er gewesen. Er hat sogar die Armbrust auf dem Steinboden zerschlagen. Ach, Mademoiselle, ich glaube, er hat sich schreckliche Vorwürfe gemacht.“
„Dazu hat er allen Grund“, sagte Jeanne ärgerlich und zuckte zusammen, weil die Behandlung wehtat.
„Ganz stillhalten, Mademoiselle. Ich habe das von Marie gelernt, sie ist eine großartige Heilerin. Es gibt keine Bessere weit und breit. Alle Tränke und Kräuter kennt sie – die Wunde wird nicht eitern.“
Sie trug die Schale mit der Flüssigkeit hinaus und erschien gleich wieder, um die Wunde zu verbinden. Jeanne ließ alles mit sich geschehen. Fast gleichgültig schaute sie zu, wie Nadine die weißen Binden um ihren Arm wand, dann schloss sie wieder die Augen.
„Bald geht es Euch wieder besser“, sagte Nadine fürsorglich. „Ihr braucht jetzt einige Tage Ruhe und gute Pflege.“
Die Tür öffnete sich und Bertrand erschien – ein Tablett in den Händen. „Das Frühstück, Mademoiselle“, sagte er und platzierte das Tablett auf einem kleinen Ebenholztischchen gleich neben ihrem Bett. „Wir hoffen, dass es nach Eurem Geschmack ist.“
Auf dem Tablett waren verschiedene kleine Speisen, Obst, frisches Brot, Honig und Wein. Dazu eine kleine Zinnkanne, der ein seltsamer Duft entströmte.
„Für mich? Das alles?“
Jeanne konnte es nicht fassen. Nie in ihrem Leben war sie bedient worden. Noch dazu so reichlich. Eine Mahlzeit im Bett einnehmen – das war etwas für Adelige und Könige.
„Dies ist Kaffee, Mademoiselle“, sagte Nadine wichtig und griff die kleine Kanne, um ein Tässchen für Jeanne einzuschenken. „Ein Getränk, das munter macht und neue Kräfte verleiht.“
Sie hielt Jeanne die kleine Tasse vor die Nase, und die junge Frau wandte sich angewidert ab. „Das riecht ganz verbrannt.“
„Oh, ja. Die Bohnen werden über dem Feuer geröstet und dann zermahlen. Versucht es nur – es wird Euch beflügeln.“
Aber Jeanne ließ sich wieder in die Kissen sinken und winkte ab. „Später. Ich werde zuerst ein wenig schlafen.“
Nadine stellte das Tässchen enttäuscht auf das Tablett zurück und knickste. Sie fasste dabei elegant ihren
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