Der Graf und die Diebin
die Tür aufflog. Es war viel rascher gegangen, als er erwartet hatte. Trotzig stand sie auf der Schwelle, die Wangen glühend, zwischen den Augen eine steile Zornesfalte. Was für Augen sie machte! Oh nein, die kleine Wildkatze war noch lange nicht gezähmt.
„Ich muss mit Euch reden!“, platzte sie los. „Es gibt da ein ganz gewaltiges Missverständnis....“
Er verbarg sein Frohlocken und war die Ruhe selbst. Mit einer Handbewegung schickte er Bertrand davon, der mit schlechtem Gewissen hinter ihr stehen geblieben war. „Was hast du da für Kleider an?“
Sie sah an sich herunter und war für einen Moment aus dem Takt gebracht. „Da meine eigenen Kleider nicht mehr zu finden waren, habe ich diese da bekommen“, gab sie trotzig zurück.
Er lächelte amüsiert. „Bezaubernd. Du schaust aus wie ein Küchenmädchen.“
Die Bemerkung versetzte sie wieder in Zorn. Hatte er nicht selbst angeordnet, ihr die Kleider fortzunehmen? „Ich habe nicht vor, mich in der Küche herumzutreiben.“
„Und warum hast du nicht die Kleider angezogen, die ich für dich bereitlegen ließ?“
Sie schnaubte durch die Nase und verzog den Mund. Zwei bezaubernde Grübchen zeigten sich auf ihren Wangen. „Ich lasse mir nichts schenken, Euer Gnaden. Diese Kleider gehören mir nicht, und ich will sie nicht.“
Er war beeindruckt, bemühte sich jedoch, gleichgültig zu erscheinen. Sie hatte Haltung, dieses Mädchen. Sie gefiel ihm immer mehr. Wenn er an das dachte, was unter diesen Röcken, diesem Mieder verborgen war, wurde ihm fast schwindelig. „Und was willst du?“
Sie trat einige Schritte in den Raum hinein und blieb vor ihm stehen. Ihr Gesichtsausdruck war jetzt ernst, und ihre Augen blickten ihn mit einem Ausdruck an, der ihn weit mehr aus der Fassung brachte als alles, was sie vorher getan hatte. Es lag Ernsthaftigkeit und Vertrauen darin.
„Ihr habt versprochen, Euch für mich einzusetzen, Euer Gnaden. Das Geld für einen Tag Arbeit steht mir zu.“
Ach, das war es. Er hatte diese dumme Angelegenheit schon längst vergessen. „Himmel!“, lachte er. „Die lächerlichen vier Sous. Es lohnt doch wirklich nicht, darum zu streiten, oder?“
„Wie könnt Ihr das behaupten?“, rief sie empört. „Für mich ist es sehr viel Geld!“
Er erhob sich von seinem Sitz und trat dicht an sie heran. Wie ihre Augen blitzten! Doch als er ihr die Hand beschwichtigend auf die Schulter legen wollte, wich sie zurück, als habe er sie verbrannt.
„Du wirst Tausend Mal mehr erhalten, Jeanne. Vertrau mir“, sagte er in schmeichelndem Ton und versuchte erneut, sie zu berühren. Doch sie schüttelte seine Hand ab wie ein lästiges Insekt.
„Ich will nur das, was mir zusteht, Herr“, sagte sie und hob das Kinn. „Gebt mir die vier Sous, dann werde ich gehen und Euch nicht weiter behelligen.“
Er war verblüfft. Was für eine hartnäckige Person. „Wohin willst du gehen mit vier Sous? An der nächsten Ecke wirst du verhungern, Jeanne. Warum bist du so dickköpfig?“
Sie hob den Kopf und sah ihm fest in die Augen. „Ich bin nicht das, wofür Ihr mich haltet, Euer Gnaden. Auch wenn es gestern vielleicht den Anschein hatte....“
Sie brach ab, und er sah voller Erstaunen, dass sie tief errötete. Was war das für ein Spiel, das sie da mit ihm anstellte? Wollte sie ihm jetzt das Unschuldslämmchen vormachen? Nachdem sie gestern eine sinnliche kleine Teufelin war!
„Du warst bezaubernd gestern, meine kleine Jeanne“, sagte er leise und strich ihr zart über die Wange. „Ich möchte dich heute Abend in der gleichen Pose wieder sehen. Und wenn du das tust, bekommst du von mir alles, was dein Herz begehrt.“
Sie blieb einen Augenblick unbeweglich, ganz der Berührung hingegeben. Voller Entzücken spürte er, dass sie zitterte. Sie wollte es doch auch, das wusste er ganz genau. Aber ganz plötzlich trat sie einen Schritt zurück, und ihre Miene war nun abweisend. „Ihr habt mich nicht verstanden, Euer Gnaden“, sagte sie kühl. „Ich möchte mein Geld, und dann werde ich mich auf den Weg machen.“
Er lachte. Was für eine Schauspielerin sie war. „Lass den Unsinn, Jeanne. Mir machst du nichts vor. Wenn du darauf bestehst, werde ich dir das Geld geben. Aber du wirst nicht gehen.“
Sie verzog keine Miene. „Ich werde gehen, verlasst Euch darauf.“
Er wurde unsicher. Der Blick ihrer blauen Augen war hart und entschlossen. Er hatte sie tatsächlich unterschätzt. Sie war imstande, das Schloss zu verlassen, dieses
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