Der Graf von Castelfino
mit oder ohne Lippenstift bei dem Fest zu erscheinen.
Ein klassischer Fall von Verzögerungstaktik, wenn man schon längst aus dem Haus sein sollte. Nur der Gedanke an Giannis charmantes Lächeln und seine ermunternden Worte trieben sie aus ihrem Zufluchtsort. Als Meg aus dem Cottage trat, passierte das erste Fahrzeug gerade das Haupttor.
„ Bravissimo – atemberaubend!“
Dieser anerkennende Ausruf kam von oben und ließ sie zusammenfahren.
„Gianni!“
Sie blickte hoch und sah, wie er sich über die schmiedeeiserne Balustrade eines Balkons im Obergeschoss beugte. Ihr Herz hüpfte, als sie daran dachte, wie er ihr gestanden hatte, sie vom Fenster aus zu beobachten. Das Dunkel hinter ihm musste sein Schlafzimmer sein. Sofort prickelte ihre Haut vor Erregung.
„Was tun Sie da oben?“, fragte sie, bemüht, sich ihre Neugier nicht anmerken zu lassen.
„Auf Sie warten, natürlich. Weitere zehn Sekunden, und ich hätte einen Spähtrupp nach Ihnen ausgesandt.“
Sein bewundernder Blick machte sie mutig. „Sie sind wirklich ein treu sorgender Dienstherr, Gianni. Ich wette, Sie würden diesen Job am liebsten selbst übernehmen.“
Er rümpfte die Nase. „Ganz gewiss nicht. Jeder Besuch in den Gartenanlagen würde Zeit erfordern, die mir momentan fehlt. Wenn ich eine Aufgabe übernehme, dann ganz oder gar nicht.“
Seine Stimme klang tief und bedeutungsvoll. Bisher war Meg davon überzeugt gewesen, dass ihr Verlangen nach ihm ins Leere laufen würde. Nun erkannte sie ihren Irrtum. Giannis Blick ließ keinen Zweifel zu. Ihr wurde heiß. Gianni, mit sich und der Welt zufrieden, wusste um seine Wirkung. Das beste Aphrodisiakum, das man sich wünschen konnte.
Eine starke Brise fuhr durch das dekorative Bambuswäldchen am Hauptportal und trug den Klang starker Motoren herüber.
„Ich … ich muss in mein Treibhaus.“ Meg zog sich in Richtung Kräutergarten zurück, wobei sie so lange wie möglich Giannis Blick festhielt. Seine Lippen umspielte das berühmte Bellini-Lächeln, ein Erbe, das bestimmt schon Dutzende von Frauen verzaubert hatte.
„Keine Angst, mia dolce “, rief er ihr gelassen zu. „Ohne Sie werde ich auf gar keinen Fall den Startschuss geben.“
5. KAPITEL
Den ganzen Tag lang hatte Meg sich wie auf glühenden Kohlen gefühlt. Ihre Aufgabe war es, Giannis Gästen vor dem Bankett die neuen, mit allen Schikanen ausgestatteten Treibhäuser vorzuführen. Die Ruhe zu bewahren unter Dutzenden reicher und glamouröser Gäste, stellte für sie das geringste Problem dar. Während sie darauf wartete, die ersten Besucher an ihrem Arbeitsplatz willkommen zu heißen, arbeitete ihr Gehirn fieberhaft. All die Adligen und die Milliardäre bedeuteten ihr nichts. Ihre Gedanken weilten ausschließlich beim Gastgeber.
Während sie draußen in ihren Gärten beschäftigt war, befand Gianni sich im Herrenhaus und begrüßte die Besucher. Meg konnte kaum mehr als einen flüchtigen Blick von ihm erhaschen. Sekundenlang schloss sie die Augen und stellte sich vor, was sich in diesem Augenblick drinnen im Haus abspielte. Jeder Zoll der reiche, verwöhnte Playboy, würde Gianni mit seinem Charme alle einwickeln.
Deutlich hatte sie vor Augen, wie er die Menschen ansah, die Wärme seiner unergründlichen Augen, der gebräunte Teint, und im Kontrast dazu die ebenmäßigen weißen Zähne. Sie verzehrte sich förmlich vor Verlangen nach ihm, und das Begehren ließ ihre Augen dunkel schimmern.
Verzweifelt versuchte Meg, sich auf die Feuerprobe zu konzentrieren, die ihr bevorstand. Sie zählte die Sekunden, bis sie Gianni wiedersehen würde. Die Sitzordnung im großen Speisesaal kannte sie mittlerweile auswendig.
Sie war Giannis Gegenüber und zwischen zwei wichtigen Unternehmern der Region platziert. Ihr war – ebenso wie den anderen Bereichsleitern – die Aufgabe übertragen worden, ihre beiden Tischnachbarn von den Vorzügen von Giannis Unternehmenskonzept zu überzeugen. Er selbst würde seinen Business-Plan zwei weiteren wichtigen Persönlichkeiten auf der anderen Seite des Tisches vorstellen. Eine davon war eine Signora Ricci.
Ohne je etwas über diese Frau gehört zu haben, mochte Meg sie instinktiv nicht. Um zu Giannis exklusiver Tafel geladen zu werden, musste die Frau Verbindungen haben und reich sein. Was, wenn sie dazu auch noch charmant war und gut aussah?
Schon jetzt von Eifersucht geplagt, zog Meg sich an den einzigen Ort zurück, der ihr Sicherheit bot. Ruhelos streifte sie durch ihre Glashäuser und
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