Der Graf von Castelfino
nicht im Entferntesten an etwas anderem als meiner Arbeit interessiert“, erklärte sie, bemüht, den Blick auf die Landschaft zu heften statt auf Giannis Gesicht. „Als ich einmal darum bat, dass ich für mein frühzeitiges Erscheinen bei der Arbeit auch bezahlt werden möchte, haben Sie mich angeschaut wie einen Goldgräber aus dem Wilden Westen. Was soll ich denn von so einem Mann halten, der seine Angestellte gleich am ersten Tag auf diese Weise behandelt?“
Erneut war sie auf das Tabuthema Geld zu sprechen gekommen. Jeder Muskel in Megs Körper spannte sich an. Eine schreckliche Minute lang befürchtete sie, Gianni würde sie hinauswerfen, weil sie hartherzig sei und sich ausschließlich für ihr Bankguthaben interessierte. Als sie verschont blieb, fuhr sie sich durchs windzerzauste Haar. Es war einfacher, sich um ihr Erscheinungsbild zu sorgen, als sich zu entschuldigen.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er die Achseln zuckte. „Schade, dass nicht mehr Frauen diese Einstellung teilen. Die Damen, die mir bisher begegnet sind, nehmen sich, was sie bekommen können. Ich sehe mich ganz sichernicht nach dem Typ Frau um, der das Leben meines Vaters und das meine dazu ruiniert hat. Bis jetzt kann ich mit Stolz behaupten, dass ich tapfer widerstanden habe.“ Er zuckte die Achseln. „Jedenfalls weiß eine Frau immer, woran sie bei mir ist.“
Bei seinen letzten Worten warf er Meg einen weiteren unmissverständlichen Blick zu. Sie musste gegen den Drang ankämpfen, ihre Hand auszustrecken und ihn zu berühren. Dann sah sie den Sattelzug auf sie zudonnern und klammerte sich an ihrem Sitz fest.
„Gianni! Vorsicht!“
„ Infèrno , Frau! Denken Sie, ich würde jetzt einen Zusammenstoß riskieren? Mit meinem neuen Wagen, meine ich?“, korrigierte er sich, bevor sie etwas Falsches in seine Worte hineininterpretieren konnte.
Gianni ließ Meg ein paar Meter neben dem ersten Geschäft auf ihrer Liste aussteigen. Ohne das Hupkonzert hinter ihnen zu beachten, ging er gelassen um den Wagen herum und öffnete ihr die Tür.
„Wie viel Trinkgeld möchten Sie haben?“, fragte sie übermütig. „Ach, schreiben Sie es auf die Rechnung.“
Megs Herz machte einen Satz, als sie den eindringlichen Ausdruck in seinen Augen bemerkte. Er führte ihre Hand zum Mund und küsste sie. Meg stand nur sprachlos da. Wenn er nicht auf der Stelle wieder in den Wagen gesprungen und losgedüst wäre, hätte sie sich hier und jetzt in seine Arme geworfen. Atemlos blieb sie noch eine ganze Weile auf dem Gehsteig stehen und sah dem schwarzen Ferrari hinterher, bis er außer Sichtweite war.
Ein freier Nachmittag in Florenz, um sich mit Garderobe aus den nobelsten Geschäften der Welt einzudecken, war eine Sache. Dass Gianni ihre Hand küsste, so wie er es schon in Chelsea getan hatte, war ein Traum jenseits ihrer Vorstellungskraft. Plötzlich begann sie sich sogar auf ihren Einkaufsbummel zu freuen. Dieser Mann vollbrachte wahre Wunder.
Normalerweise bedeutete Einkaufen für Meg eine einzige Quälerei. Doch diesmal war alles ganz anders. Heute stand sie unter Giannis Schutz und durfte sich kaufen, was ihr wirklich gefiel. Sonst hastete sie mit gesenktem Kopf durch die Menschenmassen. Doch an diesem Tag schlenderte sie lässig dahin und genoss den Nachmittag in der Sonne. Keine einzige Wolke zog über den Himmel. Welche Überraschungen wohl in all den aufregenden Geschäften auf sie warten mochten?
Es dauerte ein wenig, bis sie den Mut aufbrachte, die erste Boutique zu betreten. Ohne ihr Zutun flog die Tür plötzlich weit auf, und eine goldbehangene, gertenschlanke Frau trat heraus. Meg wurde unsanft zur Seite geschoben, doch eine Stimme aus dem Inneren des Geschäfts rief sofort eine Entschuldigung.
„Miss Imsey?“
Überrascht blickte sie auf und sah eine exquisit herausgeputzte ältere Dame auf sich zukommen.
„W…woher wissen Sie, wer ich bin?“, fragte Meg erstaunt.
„Conte di Castelfino persönlich hat uns verständigt. Wir erwarten Sie schon. Kommen Sie doch bitte herein!“
Trotz all der vornehmen Umgebung fühlte sich Meg sofort wie zu Hause. Fast war sie ein bisschen enttäuscht, schon nach wenigen Minuten das Passende gefunden zu haben: ein eng anliegendes Kleid aus glänzendem Moiré. Ärmellos und tief dekolletiert würde es ihren gebräunten Teint vorteilhaft betonen. Die Verkäuferin half ihr auch bei der Auswahl eines Paars hochhackiger seidener Riemchenschuhe, die rechtzeitig bis zu Giannis Bankett passend
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