Der Graf von Castelfino
eingefärbt werden sollten.
Meg stolzierte an einer Reihe mannshoher Spiegel vorbei und bewunderte ihre verwandelte Erscheinung. Es war ein Wunder – dieses Kleid machte sie noch schlanker und verlieh ihr Selbstvertrauen. Sie hätte nie gedacht, so wunderschön aussehen zu können, schwelgte in ihrem eigenen Spiegelbild. Giannis Bankett war jetzt kein schreckliches Spießrutenlaufen mehr für sie. Vielmehr begann sie, sich auf diese neue Erfahrung zu freuen. Mit heiterer Miene verkündete sie, das Kleid und die Schuhe nehmen zu wollen, und erklärte, dass beides auf Gianni di Castelfinos Rechnung gesetzt werden solle.
Mit ernster Miene schüttelte die Angestellte den Kopf.
„Nicht so schnell, Signora. Wir wurden angewiesen, Sie zu fragen, wie viele Geschäfte Sie bereits aufgesucht haben, bevor wir Ihnen etwas verkaufen.“
„Sie sind das erste“, gab Meg offen zu. Im selben Moment bereute sie es. Eine zweite Verkäuferin nahm ihr das wundervolle blaue Kleid wieder ab und brachte es in ein Hinterzimmer.
„Keine Sorge, wir reservieren es für Sie. Der Conte wünscht, dass wir seine Anweisungen strikt befolgen.“
Meg glaubte ihr aufs Wort. Ihr Mut sank. Am liebsten hätte sie sich in ihr Cottage auf Castelfino zurückgezogen. Das kleine Haus war der einzige Platz in diesem fremden Land, wo sie sich wirklich zu Hause fühlen konnte. Dort brauchte sie nur etwas von Pflanzen zu verstehen, doch ein Einkaufsbummel wie dieser war ein Mysterium, das sie allein schon aus Geldmangel noch nicht hatte ergründen können.
„Oh, nein … soll das heißen, ich muss noch einmal von vorne anfangen, die ganze Stadt hindurch, vom Anfang bis zum Ende?“ Sie hielt den Zettel in der Hand, den Gianni ihr gegeben hatte.
„Es wird schon nicht so schlimm werden, Signora “, wandte die Angestellte in mitfühlendem Ton ein. „Sehen Sie dem Ganzen einfach gefasst entgegen.“
Diese Worte brachten Meg auf den Boden zurück. „Mein Gott, wenn man mich reden hört, könnte man meinen, dies sei harte Arbeit! Dabei muss ich mich nur durch eine Reihe Kleiderständer wühlen, um dem Conte einen Gefallen zu tun. Ich werde in null Komma nichts fertig sein!“, erklärte sie entschieden.
Es lief nicht ganz so ab, wie Meg es sich vorgestellt hatte. Sie sauste blitzschnell von einer Boutique in die nächste. Doch während sie ein Geschäft nach dem anderen abhakte, verweilte sie bei jedem Besuch ein wenig länger und wurde zunehmend ruhiger.
Obgleich sie nichts fand, was ihr mehr zusagte als das blaue Kleid mit der Jacke, fing sie an, Spaß an der Sache zu finden. Die Verkäuferinnen verwöhnten sie wie eine Königin. Überall wurden ihr Drinks angeboten, man setzte ihr Süßigkeiten und kleine Imbisse vor.
Die Anproben wurden zum Vergnügen und waren nicht länger nur eine Pflicht. Als sie zum letzten Geschäft auf ihrer Liste kam, empfand sie sogar so etwas wie Abschiedsschmerz, als sie es wieder verlassen musste. Doch am Ende, abgefüllt mit Kaffee und vollgestopft mit cantuccini, kehrte sie zu der älteren Dame zurück und besiegelte ihren Idealkauf.
Sie hatten vereinbart, sich nahe der Ponte Vecchio zu treffen. Gianni war schon da und sprach lachend in sein Handy. Als er Meg entdeckte, beendete er das Telefonat. Mit einem strahlenden Lächeln kam er ihr entgegen und zog die Wagenschlüssel aus der Tasche.
„Sie haben nicht so lange gebraucht, wie ich dachte!“ Sein Blick wanderte über ihren Körper, und Megs Mund wurde trocken. Er sah wieder einmal umwerfend aus. Den Kontrast zwischen dem olivenfarbenen Teint und seinen weißen Hemden hatte sie von Anfang an bewundert. Doch heute fand sie ihn besonders attraktiv. Er hatte seine Manschetten aufgekrempelt, sodass seine leicht gebräunten Unterarme zu sehen waren.
„Keine Sorge, Gianni. Ich habe alles für Ihr Geschäftsbankett bekommen, wie Sie es mir aufgetragen haben. Vielen Dank dafür. Und stellen Sie sich mal vor – das Meiste habe ich in dem Geschäft gefunden, in dem ich zuerst war! Die Kleider werden rechtzeitig geliefert, sobald die Änderungen durchgeführt sind. Jetzt lassen Sie uns nach Castelfino zurückfahren. Ich kann es gar nicht erwarten heimzukommen, meine Schuhe auszuziehen und …“
Sie hielt mitten im Satz inne, weil ihr peinlich berührt bewusst wurde, dass sie einfach drauflosgeschwatzt hatte.
Gianni verdrehte die Augen und schnalzte mit der Zunge. „Frauen! Wenn sie zu Hause sind, wollen sie shoppen gehen. Und wenn sie unterwegs sind, wollen sie
Weitere Kostenlose Bücher