Der Graf von Monte Christo 1
geglaubt?«
»Je nun, Herr Morrel«, antwortete Danglars, »ich sagte Ihnen schon, daß Dantès ohne ersichtlichen Grund an der Insel Elba angelegt hat, und Sie wissen, mir ist dieser Aufenthalt verdächtig erschienen.«
»Haben Sie anderen von Ihrem Verdacht Mitteilung gemacht?«
»Ich würde mich gehütet haben«, antwortete Danglars leise, »Sie wissen, daß man Sie wegen Ihres Onkels, des Herrn Policar Morrel, der unter dem andern gedient hat und aus seinen Gedanken kein Geheimnis macht, beargwöhnt, daß Sie mit Napoleon sympathisie-ren. Ich hätte befürchten müssen, Edmund und in der Folge auch Ihnen zu schaden; es gibt Dinge, die ein Untergebener die Pfl icht hat, seinem Reeder zu sagen, aber anderen gegenüber streng ge-heimzuhalten.«
»Ganz recht, Danglars, ganz recht, Sie sind ein braver Kerl; ich hatte auch schon an Sie gedacht, für den Fall, daß der arme Dantès Kapitän des ›Pharao‹ geworden wäre.«
»Wieso, Herr Morrel?«
»Ja, ich hatte Dantès gefragt, was er von Ihnen halte und ob er irgend etwas dagegen hätte, daß Sie auf Ihrem Posten blieben; denn ich weiß nicht weshalb, aber ich hatte zu bemerken geglaubt, daß eine gewisse Kälte zwischen Ihnen herrschte.«
»Und was hat er Ihnen geantwortet?«
»Daß er in der Tat glaube, Ihnen einmal – die Umstände hat er mir nicht gesagt – unrecht getan zu haben, daß aber jeder, welcher das Vertrauen des Reeders genösse, auch das seine besäße.«
»Der Heuchler!« murmelte Danglars.
»Der arme Dantès!« sagte Caderousse. »Er war wirklich ein prächtiger Junge.«
»Ja«, bemerkte Herr Morrel, »aber vorläufi g ist der ›Pharao‹ ohne Kapitän.«
»Oh«, meinte Danglars, »wir können vor einem Vierteljahr nicht wieder in See stechen, und bis dahin ist Dantès hoff entlich wieder frei.«
»Ohne Zweifel, aber bis dahin?«
»Nun, bis dahin bin ich ja da, Herr Morrel«, sagte Danglars. »Sie wissen, daß ich ein Schiff ebensogut zu führen verstehe wie ein Kapitän; Sie werden sogar einen Vorteil haben, wenn Sie sich meiner bedienen, denn Sie brauchen dann, wenn Edmund die Freiheit erhält, niemand zu entlassen; er nimmt dann einfach seine Stelle wieder ein und ich die meine.«
»Ich danke Ihnen, Danglars«, entgegnete der Reeder; »so regelt sich in der Tat alles vortreffl ich. Übernehmen Sie also das Kommando, ich bevollmächtige Sie dazu, und überwachen Sie das Löschen; was auch den Personen zustoßen möge, die Geschäfte dürfen nun einmal nicht darunter leiden.«
»Seien Sie unbesorgt, Herr Morrel; aber wird man den braven Edmund nicht wenigstens sehen können?«
»Das werde ich Ihnen sogleich sagen, Danglars; ich will versuchen, mit Herrn von Villefort zu sprechen und mich bei ihm zugunsten des Gefangenen verwenden. Ich weiß wohl, daß er ein wütender Royalist ist, aber immerhin, trotz Royalist und Staatsanwalt, er ist auch ein Mensch, und ich halte ihn nicht für schlecht.«
»Nein«, meinte Danglars, »aber er soll ehrgeizig sein, und ehrgeizige Leute sind selten gut.«
»Nun, wir werden ja sehen«, sagte Herr Morrel mit einem Seufzer.
»Gehen Sie an Bord, ich werde Sie dort treff en.«
Er verließ die beiden Freunde, um zum Justizpalast zu gehen.
»Du siehst«, sagte Danglars zu Caderousse, »welche Wendung die Geschichte nimmt. Hast du noch Lust, dich für Dantès zu verwenden?«
»Nein, gewiß nicht; aber es ist doch ein entsetzlicher Scherz, der solche Folgen hat.«
»Nun, wer hat ihn denn ausgeführt? Du doch nicht und ich auch nicht, nicht wahr, sondern Ferdinand. Du weißt doch, daß ich das Papier in die Ecke geworfen habe; ich glaubte sogar, ich hätte es zerrissen.«
»Nein, nein«, antwortete Caderousse. »Da bin ich ganz sicher; ich sehe es noch in der Ecke der Laube, zerknittert und zusammenge-rollt, und möchte sogar, es läge noch da.«
»Na, sieh her: Ferdinand hat es jedenfalls aufgegriff en, hat es ab-geschrieben oder abschreiben lassen, vielleicht hat er sich auch nicht einmal die Mühe genommen, ja, mein Gott, vielleicht hat er meinen eigenen Brief abgeschickt! Zum Glück hatte ich meine Handschrift verstellt.«
»Wußtest du denn aber, daß Dantès ein Verschwörer ist?«
»Ich? Davon wußte ich nicht das geringste; ich habe, wie gesagt, einen Scherz machen wollen, weiter nichts. Wie’s scheint, habe ich, wie der Hanswurst, im Scherze die Wahrheit gesagt.«
»Einerlei«, sagte Caderousse, »ich würde viel drum geben, wenn die ganze Geschichte nicht passiert wäre, oder
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