Der Graf von Monte Christo 1
Verlies; die Verrückten gehören zu den Verrückten!«
Die vier Soldaten bemächtigten sich Dantès’, der in eine Art Erschlaff ung fi el und ihnen ohne Widerstand folgte.
Man ließ ihn fünfzehn Stufen hinuntersteigen und öff nete die Tür einer Zelle, in die Dantès eintrat, indem er zu sich selbst sagte: »Er hat recht, die Verrückten gehören zu den Verrückten!«
Die Tür schloß sich wieder, und Dantès ging mit vorgehaltenen Händen vorwärts, bis er die Mauer fühlte; dann setzte er sich in einen Winkel und bewegte sich nicht mehr, während seine Augen, die sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnten, die Gegenstände zu unterscheiden begannen.
Der Wärter hatte recht; es fehlte wenig, daß Dantès wahnsinnig wurde.
D K T
Herr von Villefort kehrte in die Wohnung des Herrn von Saint-Méran, wo seine Verlobung gefeiert wurde, zurück, verabschiedete sich rasch von seiner Braut und den Gästen und trat sofort mit Extrapost eine Reise nach Paris an. Vorher hatte er sich von Herrn von Salvieux, dem Freund seines zukünftigen Schwiegervaters, einen Brief geben lassen, der ihm ohne weiteres Zutritt zum König verschaff en würde.
Wir verlassen Villefort auf dem Wege nach Paris, wo er infolge der dreifachen Trinkgelder, die er gab, mit Windeseile dahinfl og, und begeben uns durch zwei oder drei Säle in das kleine Kabinett der Tuilerien, das das Lieblingskabinett Napoleons und Ludwigs XVIII.
war. In diesem Kabinett saß König Ludwig XVIII. vor einem Tisch aus Nußbaumholz, den er von Hartwell mitgebracht hatte und ganz besonders liebte. Der Monarch hörte zerstreut einem etwa fünfzigjährigen Mann von vornehmem Äußeren zu. Dabei machte er Notizen in eine lateinische Ausgabe des Horaz.
»Sie sagen also?« sprach der König.
»Daß ich so unruhig bin, wie man es nur sein kann, Sire!«
»Wirklich? Sollten Sie im Traum sieben fette und sieben magere Kühe gesehen haben?«
»Nein, Sire! Denn das würde uns nur sieben fruchtbare und sieben unfruchtbare Jahre verkünden, und bei einem so vorsorglichen König, wie Eure Majestät sind, ist keine Hungersnot zu befürchten.«
»Um welche andere Geißel soll es sich denn handeln, lieber Blacas?«
»Sire, ich glaube, ja, ich habe alle Ursache zu glauben, daß sich im Süden ein Sturm zusammenzieht …«
»Ei, mein lieber Graf«, entgegnete Ludwig XVIII., »ich denke, Sie sind schlecht unterrichtet, denn ich weiß im Gegenteil gewiß, daß dort sehr schönes Wetter ist.«
»Sire«, versetzte Blacas, »wenn doch Eure Majestät, nur um einen getreuen Diener zu beruhigen, zuverlässige Männer in die Landschaften Languedoc, Provence und Dauphiné schicken wollten, um über den Geist, der dort herrscht, Bericht zu erhalten. Eure Majestät können ganz ruhig sein in bezug auf den guten Geist, der in Frankreich herrscht, allein ich glaube, nicht ganz unrecht zu haben, wenn ich irgendeinen verzweifelten Versuch befürchte.«
»Von welcher Seite?«
»Von seiten Bonapartes oder zumindest von seiten seiner Partei.«
»Mein lieber Blacas«, sprach der König. »Sie stören mich mit ihren Besorgnissen in meiner Arbeit.«
»Sire! Ich möchte mit Eurer Majestät die Sicherheit teilen können.«
»Warten Sie, mein lieber Graf, warten Sie! Mir fällt eben eine sehr glückliche Anmerkung zu meiner Arbeit ein; warten Sie ein wenig, und dann fahren Sie fort.«
Es trat einen Augenblick Stillschweigen ein, währenddessen Ludwig XVIII. mit einer Schrift, die er so winzig wie möglich machte, eine neue Notiz an den Rand des Horaz schrieb.
Als er fertig war, hob er den Kopf wieder mit der zufriedenen Miene eines Mannes, der eine Idee gehabt zu haben glaubt, wenn er die Idee eines anderen kommentiert hat, und sagte:
»Fahren Sie fort, mein lieber Graf! Ich höre.«
»Sire!« sprach Herr von Blacas. »Ich bin genötigt, Eurer Majestät zu sagen, daß es nicht grundlose Gerüchte und aus der Luft gegrif-fene Neuigkeiten sind, die mich ängstigen; ein wohlgesinnter Mann, der mein ganzes Vertrauen genießt und dem ich die Überwachung des Südens anvertraut habe« – der Graf hielt inne, als er diese Worte sprach –, »ist soeben mit der Post gekommen und berichtet von einer großen Gefahr, die Eurer Majestät droht. Deshalb bin ich hier-hergeeilt.«
Ludwig XVIII. fuhr fort, Notizen in seinen Horaz zu machen.
»Befehlen mir Eure Majestät, mich nicht länger bei diesem Gegenstand
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