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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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verwachsen, das fi nstere Schloß If erhebt.
    Der unvermutete Anblick dieses grauenvollen Gefängnisses, das seit dreihundert Jahren Marseille mit seinen Schrecken erfüllte, wirkte auf Dantès wie das Schafott auf den Verurteilten.
    »O mein Gott!« rief er. »Das Schloß If! Was soll ich dort? Weshalb fahren wir dorthin?«
    Der Gendarm lächelte.
    »Aber man bringt mich doch nicht dahin, um mich einzusper-ren?« fuhr Dantès fort. »Das Schloß If ist ein Staatsgefängnis, nur zur Aufnahme großer politischer Verbrecher bestimmt. Ich habe nicht das geringste begangen. Sind denn auf dem Schlosse If Untersuchungsrichter oder sonstige Behörden?«
    »Es gibt dort, glaube ich«, antwortete der Gendarm, »nur einen Gouverneur, Wärter, Soldaten und feste Mauern. Na, na, lieber Freund, tun Sie doch nicht so erstaunt, ich glaube beinahe, daß Sie sich für meine Gefälligkeit über mich lustig machen.«
    Dantès drückte die Hand des Gendarmen, als ob er sie zerbrechen wollte.
    »Sie behaupten also, daß man mich nach dem Schloß If bringt, um mich dort einzukerkern?«
    »Das ist wahrscheinlich«, antwortete der Gendarm; »aber auf alle Fälle, Kamerad, brauchen Sie mir die Hand nicht zu zerquet-schen.«
    »Ohne weitere Untersuchung? Ohne weitere Formalität?« fragte der junge Mann.
    »Die Formalitäten sind erfüllt, die Untersuchung hat stattgefunden.«
    »Also trotz des Versprechens des Herrn von Villefort?«
    »Ich weiß nicht, ob Herr von Villefort Ihnen ein Versprechen gemacht hat«, erwiderte der Gendarm, »aber was ich weiß, ist, daß wir nach dem Schloß If fahren! Nanu! Was machen Sie denn? Holla, Kamerad, zu Hilfe!«
    Mit einer blitzartigen Bewegung, die jedoch das geübte Auge des Gendarmen zur rechten Zeit wahrgenommen, hatte Dantès sich ins Meer stürzen wollen; aber vier kräftige Fäuste hielten ihn in dem Augenblick zurück, da seine Füße sich von den Planken des Bootes lösten.
    Er fi el auf den Boden des Bootes zurück, indem er vor Wut heulte.
    »Gut!« rief der Gendarm, ihm ein Knie auf die Brust setzend.
    »So halten Sie also Ihr Seemannswort! Traue einer den zahmen Redensarten! Jetzt aber, lieber Freund, eine einzige Bewegung, und ich jage Ihnen eine Kugel in den Kopf. Gegen meine erste Weisung habe ich verstoßen, ich stehe Ihnen aber dafür, daß ich gegen die zweite nicht verstoßen werde.«
    Und er richtete seinen Karabiner gegen Dantès, der die Mündung der Waff e an seiner Schläfe fühlte.
    Einen Augenblick hatte er den Gedanken, diese verbotene Bewegung zu machen und so gewaltsam das unerwartete Unglück, das über ihn hereingebrochen war, zu enden. Aber eben, weil es so unerwartet war, sagte er sich, daß es nicht von Dauer sein könne; dann gedachte er auch der Versprechungen des Herrn von Villefort, und schließlich erschien ihm solch ein Tod auf dem Boden eines Bootes, von der Hand eines Gendarmen, zu häßlich.
    Er stieß erneut ein Wutgeheul aus und begann an seinen Fingernägeln zu nagen.
    Fast in demselben Augenblick erschütterte ein heftiger Anprall das Boot. Einer der Schiff er sprang auf den Felsen, den das Fahrzeug berührt hatte; ein Tau wickelte sich knirschend von einer Rolle ab, und Dantès erkannte, daß man jetzt anlegte.
    Seine Wächter, die ihn an den Armen und am Rockkragen hielten, zwangen ihn, sich zu erheben und ans Land zu steigen, und zogen ihn nach den Stufen, welche zu der Zitadelle hinauff ührten, während der Gefreite mit aufgepfl anztem Bajonett folgte.
    Dantès leistete keinen Widerstand, der ohnehin vergeblich gewesen wäre; er war betäubt und taumelte wie ein Trunkener. Er sah wieder Soldaten, die sich auf der steilen Böschung aufstellten, fühlte Stufen, die ihn nötigten, den Fuß zu heben, und bemerkte, daß er durch eine Tür ging, die sich hinter ihm schloß, aber alles dies mechanisch, wie durch einen Nebel, ohne etwas Bestimmtes zu unterscheiden.
    Man machte einen Augenblick halt, währenddessen er seine Gedanken zu sammeln suchte. Er sah sich um: Er befand sich in einem viereckigen, von hohen Mauern eingeschlossenen Hofe; man hörte den langsamen, regelmäßigen Schritt der Schildwachen, und jedesmal, wenn sie in den Bereich des Lichtes kamen, das von zwei oder drei Stellen im Innern des Schlosses auf den Hof fi el, sah man ihre Gewehrläufe blitzen.
    Man wartete dort etwa zehn Minuten. Da Dantès nicht zu entfl iehen vermochte, hatten die Gendarmen ihn losgelassen. Man schien auf Befehle zu warten, und diese Befehle kamen.
    »Wo ist der

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