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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Gefangene?« fragte eine Stimme.
    »Hier ist er«, antworteten die Gendarmen.
    »Er soll mir folgen; ich werde ihn in sein Quartier führen.«
    »Los!« riefen die Gendarmen, indem sie Dantès fortstießen.
    Der Gefangene folgte seinem Führer, der ihn in einen fast unterirdischen Raum führte, dessen kahle und schwitzende Wände von Tränendunst getränkt schienen. Eine auf einen Schemel gestellte kleine Lampe, deren Docht in einem stinkenden Fett schwamm, warf ihren Schein auf die Wände dieses entsetzlichen Ortes und zeigte Dantès seinen Führer, einen der unteren Kerkermeister, schlecht gekleidet und von gemeinem Gesichtsausdruck.
    »Hier ist Ihr Zimmer für diese Nacht«, sagte der Mann; »es ist spät, und der Herr Gouverneur ist schon zu Bett. Morgen, wenn er aufgestanden ist und von den Sie betreff enden Anweisungen Kenntnis genommen hat, werden Sie vielleicht umquartiert. Inzwischen haben Sie hier Brot, in dem Krug dort ist Wasser und in jenem Winkel Stroh: das ist alles, was ein Gefangener wünschen kann.
    Gute Nacht!«
    Und ehe Dantès daran gedacht hatte, den Mund zu öff nen, um zu antworten, ehe er bemerkt hatte, wo der Kerkermeister das Brot hingelegt, ehe er sich danach hatte umsehen können, wo der Wasserkrug und das Stroh war, hatte der Kerkermeister die Lampe genommen, die Tür hinter sich verschlossen und dem Gefangenen den matten Schein genommen, der ihm die tropfenden Wände seines Kerkers gezeigt hatte.
    Er befand sich allein in der Finsternis und Stille, selbst so stumm und düster wie diese Gewölbe, deren eisige Kälte er auf seine brennende Stirn sich niederschlagen fühlte.
    Als die ersten Strahlen des Tages wieder etwas Helle in das Kellerloch brachten, kam der Wärter mit dem Befehl zurück, den Gefangenen zu belassen, wo er wäre. Dantès hatte sich nicht vom Platze bewegt; eine eiserne Hand schien ihn an die Stelle genagelt zu haben, wo er am Abend vorher haltgemacht hatte. Unbeweglich, die vom Weinen geschwollenen Augen auf den Boden gerichtet, stand er da.
    Er hatte so die ganze Nacht stehend verbracht, ohne nur einen einzigen Augenblick zu schlafen.
    Der Wärter näherte sich ihm und ging um ihn herum; aber Dantès schien ihn nicht zu sehen.
    Er klopfte ihm auf die Schulter; Dantès fuhr zusammen und schüttelte den Kopf.
    »Haben Sie denn nicht geschlafen?« fragte der Wärter.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Dantès.
    Der Wärter betrachtete ihn voll Erstaunen.
    »Haben Sie keinen Hunger?« fuhr er fort.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Dantès wiederum.
    »Wünschen Sie etwas?«
    »Ich möchte den Gouverneur sprechen.«
    Der Wärter zuckte die Schultern und ging.
    Dantès folgte ihm mit den Augen und streckte die Hände nach der geöff neten Tür aus; die Tür schloß sich wieder.
    Seiner Brust entrang sich ein Schluchzen; die Tränen stürzten ihm aus den Augen; er warf sich mit der Stirn auf den Boden und betete lange, indem er sein Leben an seinem Geiste vorüberziehen ließ und sich fragte, welches Verbrechen er begangen habe, das eine so grausame Strafe verdiente.
    So verging der Tag; kaum daß er einige Bissen Brot aß und einige Tropfen Wasser trank. Bald saß er mit seinen Gedanken beschäftigt, bald kreiste er wie ein wildes Tier in einem Käfi g durch seinen Kerker.
    Ein Gedanke besonders quälte ihn: daß er sich während der Überfahrt, wo er in Unkenntnis des Zieles so ruhig geblieben war, zehnmal hätte ins Wasser stürzen können. Einmal im Wasser, wäre er dank seiner Geschicklichkeit im Tauchen seinen Wärtern sicher entronnen, er hätte den Strand gewinnen und sich auf einem spanischen oder italienischen Schiff ins Ausland begeben können, wohin er Mercedes und seinen Vater später hätte nachkommen lassen.
    Was den Lebensunterhalt betraf, so war er unbesorgt: Gute Seeleute waren überall selten; er sprach italienisch wie ein Toskaner, spanisch wie ein Kind Altkastiliens; er hätte frei und glücklich mit Mercedes und seinem Vater leben können. Und jetzt war er Gefangener, ein-gekerkert im Schloß If, diesem unzugänglichen Gefängnis, ohne zu wissen, was aus Mercedes wurde, und alles dies, weil er an das Wort Villeforts geglaubt hatte. Es war, um wahnsinnig zu werden, und Dantès wälzte sich wütend auf dem frischen Stroh, das ihm sein Wärter gebracht hatte.
    Am folgenden Tag um dieselbe Stunde erschien der Wärter wieder.
    »Nun«, fragte er, »sind Sie heute vernünftiger als gestern?«
    Dantès antwortete nicht.
    »Hören Sie«, sagte der Wärter,

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