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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Jungen gemacht haben?«
    »Oh, beruhigen Sie sich, man wird ihn nach Fenestrelles, nach Pignerol oder auf die Sankt-Margareten-Insel gebracht haben, was man in der Amtssprache verschicken nennt, und an einem schönen Morgen werden Sie ihn zurückkommen und sein Schiff skommando übernehmen sehen.«
    »Er komme, wann es sei, sein Platz bleibt ihm off en. Warum ist er aber nicht schon gekommen? Mich dünkt, die erste Sorge der kaiserlichen Regierung hätte es sein sollen, diejenigen freizulassen, welche die royalistische Gerechtigkeitspfl ege eingesperrt hat.«
    »Erheben Sie keine unüberlegten Beschuldigungen, Herr Morrel!«
    entgegnete Villefort. »Man muß in allen Dingen gesetzlich zu Werke gehen. Der Befehl zur Einkerkerung kam von oben, es muß also auch von oben der Befehl zur Freilassung kommen. Nun sind es aber kaum vierzehn Tage, daß Napoleon zurückkehrte, und so kann auch der Begnadigungsbrief noch kaum ausgefertigt sein.«
    »Aber gibt es denn kein Mittel«, fragte Morrel, »die Formalitäten zu beschleunigen? Jetzt, da wir obenauf sind, habe ich einigen Einfl uß; ich kann die Aufhebung des Urteils erlangen.«
    »Es hat kein Urteilsspruch stattgefunden.«
    »Aber kann ich nicht erreichen, daß er aus der Gefangenenliste gestrichen wird?«
    »Im Bereich der politischen Angelegenheiten gibt es keine Gefan-genenlisten. Es liegt bisweilen im Interesse der Regierung, einen Menschen verschwinden zu lassen, ohne daß davon eine Spur zu-rückbleibt; Gefangenenregister würden Anhaltspunkte für Nachforschungen bieten.«
    »So war es vielleicht unter den Bourbonen, aber jetzt …«
    »So ist es zu allen Zeiten, mein lieber Herr Morrel, die Regierungen folgen und gleichen sich. Die Justiz arbeitet noch heute mit den Einrichtungen, wie sie Ludwig XIV. geschaff en hat, mit einziger Ausnahme der Bastille. Der Kaiser hielt in Hinsicht seiner Gefängnisse noch strenger auf die Vorschriften als der große König selber, und die Zahl der Eingekerkerten, von denen die Register keine Spur enthalten, läßt sich gar nicht berechnen.«
    Der vertrauliche Ton des Staatsanwalts beseitigte den letzten Rest von Verdacht, den Morrel etwa noch gehegt haben konnte.
    »Herr von Villefort«, sprach er, »welchen Rat würden Sie mir wohl geben, um die Rückkehr des armen Dantès zu beschleunigen?«
    »Einen einzigen, mein Herr! Verfassen Sie eine Bittschrift an den Justizminister.«
    »Ach, mein Herr, wir wissen recht gut, was Bittschriften ausrichten; der Minister erhält täglich zweihundert und liest davon nicht vier.«
    »Ja«, erwiderte Villefort, »er wird aber eine Bittschrift lesen, die von mir abgeschickt und empfohlen ist.«
    »Und Sie wollten wirklich die Güte haben, dies zu tun?«
    »Mit dem größten Vergnügen. Dantès konnte damals schuldig sein, jetzt ist er unschuldig, und es ist meine Pfl icht, dem die Freiheit wiederzugeben, den ich in das Gefängnis setzen mußte.«
    Auf diese Art kam Villefort einer zwar nicht wahrscheinlichen, doch möglichen Untersuchung zuvor, die sein sicheres Verderben gewesen wäre.
    »Wie schreibt man aber an den Minister?«
    »Setzen Sie sich hierher, Herr Morrel«, sagte Villefort, indem er dem Reeder seinen Stuhl anwies, »ich werde Ihnen diktieren. Verlieren wir keine Zeit, wir haben ohnedies schon zuviel verloren.«
    »Mein Herr, wir müssen bedenken, daß der arme Junge schwer leidet und vielleicht schon ganz verzweifelt ist.«
    Villefort schauderte bei dem Gedanken, wie ihm der Gefangene in der Stille und Dunkelheit seines Kerkers fl uchen möge, er war aber schon zu weit gegangen, um noch zurückweichen zu können; Dantès mußte unter dem Räderwerk seiner Ehrsucht zermalmt werden.
    Villefort diktierte nun ein Bittgesuch, in dem er off enbar mit der besten Absicht den Patriotismus des Dantès und seine der bonapartistischen Sache geleisteten Dienste mit Übertreibung schilderte.
    Nach dieser Bittschrift wäre Dantès einer der tätigsten Helfer für Napoleons Rückkehr gewesen. Es war augenscheinlich, wenn der Minister diese Schrift las, mußte er ihm sogleich Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn ihm nicht bereits Recht geschehen wäre.
    Nach beendigtem Diktat überlas Villefort das Gesuch mit lauter Stimme.
    »So ist’s recht«, sprach er, »und nun bauen Sie auf mich.«
    »Und wird das Gesuch bald abgehen, mein Herr?«
    »Heute noch!«
    »Mit einem empfehlenden Zusatz von Ihrer Hand?«
    »Ich will es empfehlen, mein Herr, so gut ich es vermag, und alles das bekräftigen, was

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