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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Vater eines so gefährlichen Bonapartisten, wie Dantès war, Beistand zu leisten, selbst wenn es auf dem Sterbebett war.
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    Ein Jahr ungefähr nach der Rückkehr Ludwigs XVIII. machte der Generalinspektor der Gefängnisse eine Inspektionsreise.
    Dantès hörte sogar in der Tiefe seines Kerkers einen schwachen Widerhall von dem Lärm und Geräusch, das die Vorbereitungen für den Empfang des hohen Beamten verursachten.
    Er erriet, daß sich bei den Lebenden etwas Ungewöhnliches er-eignete. Er bewohnte sein Grab schon so lange, daß er sich wohl für tot halten konnte.
    In der Tat besuchte der Inspektor die Zellen, eine nach der anderen. Mehrere Gefangene wurden befragt; es waren diejenigen, die sich durch ihr ruhiges Wesen oder ihre stumpfe Fügsamkeit bei der Verwaltung beliebt gemacht hatten. Der Inspektor fragte sie, wie sie mit ihrer Nahrung zufrieden seien und ob sie irgendwelche Anliegen hätten.
    Sie antworteten einstimmig, daß die Nahrung abscheulich sei und sie ihre Freiheit verlangten.
    Der Inspektor fragte dann, ob sie denn keine anderen Wünsche hätten.
    Sie schüttelten den Kopf. Welch anderes Gut als die Freiheit können Gefangene sich wünschen?
    Der Inspektor wandte sich lächelnd an den Gouverneur:
    »Ich weiß nicht, weshalb man uns diese überfl üssigen Inspekti-onsreisen machen läßt«, sagte er. »Wer einen Gefangenen sieht, sieht hundert; wer einen hört, hört tausend; es ist immer dieselbe Geschichte: schlecht beköstigt und unschuldig. Haben Sie noch andere?«
    »Ja, wir haben noch die gefährlichen oder irrsinnigen Gefangenen, die wir ins Verlies bringen.«
    »Nun denn«, sagte der Inspektor mit dem Anschein der tiefsten Ermüdung, »machen wir unser Geschäft gründlich ab, zeigen Sie mir das Verlies.«
    »Warten Sie«, antwortete der Gouverneur, »bis wenigstens zwei Mann geholt sind; die Gefangenen begehen manchmal Verzweif-lungstaten, wär’s auch nur aus Lebensüberdruß und um zum Tode verurteilt zu werden. Sie könnten das Opfer eines solchen Anschlags werden.«
    »Treff en Sie denn Ihre Vorsichtsmaßregeln«, sagte der Inspektor.
    In der Tat ließ man zwei Soldaten holen und begann eine Treppe hinunterzusteigen, die so stank und so verfallen war, daß der Inspektor auf den ersten Stufen stehenblieb.
    »Wer kann denn da einquartiert sein?« fragte er.
    »Einer der gefährlichsten Verschwörer, vor dem wir besonders gewarnt worden sind, weil er zu allem fähig ist.«
    »Ist er allein?«
    »Gewiß.«
    »Wie lange ist er schon da?«
    »Seit etwa einem Jahr.«
    »Ist er bei seiner Ankunft sofort in dieses Verlies gebracht worden?«
    »Nein, erst nachdem er den Schließer, der ihm seine Nahrung brachte, hatte töten wollen.«
    »Er hat den Schließer töten wollen?«
    »Ja, denselben, der uns hier leuchtet. Nicht wahr, Anton?« fragte der Gouverneur.
    »Er hat mich schlankweg umbringen wollen«, antwortete der Schließer.
    »Der Mensch ist also wahnsinnig?«
    »Schlimmer«, erwiderte der Schließer, »er ist ein Teufel.«
    »Soll über ihn eine Beschwerde eingereicht werden?« fragte der Inspektor den Gouverneur.
    »Das ist nutzlos, er ist schon genug bestraft; zudem ist er jetzt der Tollheit ziemlich nahe, und nach unserer Erfahrung wird er nach Verlauf eines weiteren Jahres vollständig irrsinnig sein.«
    »Meiner Treu, um so besser«, meinte der Inspektor; »ist er einmal vollständig irrsinnig, so wird er weniger leiden.«
    »Sie haben recht, mein Herr«, antwortete der Gouverneur, »und Ihre Betrachtung beweist, daß sie die Sache gründlich studiert haben.
    So haben wir in einem von diesem nur zwanzig Schritt entfernten Kerker, zu dem eine zweite Treppe hinabführt, einen alten Abbé, einen früheren Parteiführer aus Italien, der seit  hier ist und gegen Ende  verrückt geworden ist. Seitdem ist er physisch nicht wie-derzuerkennen: Früher weinte er, jetzt lacht er; früher magerte er ab, jetzt wird er fett. Wollen Sie den lieber sehen als diesen? Seine Verrücktheit ist ergötzlich und wird Sie nicht traurig stimmen.«
    »Ich werde beide sehen«, antwortete der Inspektor; »man muß seine Aufgaben gewissenhaft erledigen.«
    Der Inspektor befand sich auf seiner ersten Rundreise und wollte sich bei seiner vorgesetzten Behörde einen guten Ruf erwerben.
    »Treten wir also zuerst bei diesem ein«, fuhr er

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