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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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fort.
    »Gern«, antwortete der Gouverneur und gab dem Schließer ein Zeichen, worauf dieser die Tür öff nete.
    Beim Knirschen der festen Riegel und der rostigen Angeln hob Dantès, der in einem Winkel seines Kerkers saß, in den durch ein enges, vergittertes Kellerloch ein wenig Licht fi el, den Kopf. Er sah im Lichte der Fackeln, die zwei Schließer trugen, einen unbekannten Mann, mit dem der Gouverneur, den Hut in der Hand, sprach und der von zwei Soldaten begleitet war; er erriet, worum es sich handelte, erkannte endlich eine Gelegenheit, sich an eine höhere Stelle zu wenden, und sprang mit gefalteten Händen dem Fremden entgegen.
    Die Soldaten kreuzten sofort ihre Bajonette, denn sie glaubten, daß sich der Gefangene in böser Absicht auf den Inspektor stürzen wollte.
    Der Inspektor selbst wich einen Schritt zurück.
    Dantès sah, daß man ihn als einen gefährlichen Menschen dar-gestellt hatte.
    Da bemühte er sich, sanft und ruhig zu erscheinen, und indem er sich mit einer Art frommer Beredsamkeit, die seine Zuhörer in Erstaunen versetzte, ausdrückte, versuchte er die Seele seines Besuchers zu rühren.
    Der Inspektor hörte die Rede Dantès’ bis zu Ende an, dann sagte er, sich an den Gouverneur wendend, halblaut:
    »Er wird fromm werden; er ist schon zu milderen Gefühlen übergegangen. Sehen Sie, die Furcht wirkt auf ihn; er ist vor den Bajo-netten zurückgewichen; ein Irrer weicht aber vor nichts zurück. Ich habe über diesen Gegenstand zu Charenton höchst merkwürdige Beobachtungen gemacht.«
    Dann wandte er sich an den Gefangenen.
    »Was wünschen Sie also, kurz gesagt?«
    »Ich wünsche zu wissen, welches Verbrechen ich begangen habe; ich wünsche vor den Richter gestellt zu werden; ich verlange endlich, daß man mich füsiliert, wenn ich schuldig, aber auch, daß man mich in Freiheit setzt, wenn ich unschuldig bin.«
    »Ist ihre Nahrung gut?« fragte der Inspektor.
    »Ja, ich glaube, ich weiß es nicht. Aber das ist unwichtig; was wichtig ist, nicht nur für mich, einen unglücklichen Gefangenen, sondern auch für alle Beamten im Dienste der Justiz, auch für den König, der uns regiert, das ist, daß ein Unschuldiger nicht das Opfer einer schändlichen Denunziation werde und nicht, seine Henker verfl uchend, im Kerker sterbe.«
    »Sie sind heute sehr demütig«, sagte der Gouverneur; »so waren Sie nicht immer. An dem Tag, als Sie Ihren Wärter ermorden wollten, sprachen Sie ganz anders, mein Freund.«
    »Allerdings, mein Herr«, antwortete Dantès, »und ich bitte den Mann, der immer gut gegen mich gewesen ist, deshalb demütigst um Verzeihung. Aber sehen Sie, ich war toll, ich war rasend.«
    »Und Sie sind es nicht mehr?«
    »Nein, denn die Gefangenschaft hat mich gebeugt, gebrochen …
    Es ist schon so lange, daß ich hier bin!«
    »So lange …? Und, wann sind Sie verhaftet worden?« fragte der Inspektor.
    »Am achtundzwanzigsten Februar , um zwei Uhr nachmit-tags.«
    Der Inspektor rechnete.
    »Wir haben den dreißigsten Juli . Was sprechen Sie denn; Sie sind ja erst siebzehn Monate im Gefängnis!«
    »Erst siebzehn Monate!« wiederholte Dantès. »Ach, mein Herr, Sie wissen nicht, was das heißt: siebzehn Monate Gefängnis! Es sind siebzehn Jahre, siebzehn Jahrhunderte – besonders wenn jemand, wie ich, ein geliebtes Mädchen zu heiraten im Begriff e war; wenn jemand eine ehrenvolle Laufbahn sich ihm öff nen sah und ihm dann plötzlich alles genommen wird; wenn er mitten aus dem schönsten Tag in die fi nstere Nacht stürzt, wenn er seine Laufbahn vernichtet sieht, nicht weiß, wie es dem Mädchen geht, das ihn liebte, nicht weiß, ob sein alter Vater noch lebt oder gestorben ist.
    Siebzehn Monate Gefängnis für einen Mann, der an die Luft des Meeres, an das freie Leben des Seemanns, an die Unendlichkeit des Raumes gewöhnt ist! Mein Herr, siebzehn Monate Gefängnis ist mehr, als alle mit den schlimmsten Namen belegten Verbrechen verdienen. Haben Sie also Mitleid mit mir und verlangen Sie für mich nicht Nachsicht, sondern Strenge, nicht Gnade, sondern ein Urteil! Ich verlange nur Richter; man kann einem Angeklagten nicht die Richter verweigern.«
    »Schön«, sagte der Inspektor, »wir werden sehen.«
    Dann, sich an den Gouverneur wendend:
    »Wirklich, der arme Teufel tut mir leid. Wenn wir nach oben kommen, zeigen Sie mir die auf ihn bezüglichen Eintragungen.«
    »Gewiß«, antwortete der Gouverneur; »aber Sie werden, glaube ich, schreckliche Dinge fi

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