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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Sie darin sagen.«
    Villefort setzte sich nieder und schrieb an einer Ecke der Bittschrift einige Worte.
    »Was habe ich jetzt noch zu tun, mein Herr?« fragte Morrel.
    »Warten«, entgegnete Villefort. »Ich bürge für alles.«
    Diese Zusicherung erweckte in Morrel wieder Hoff nung; er war von Villefort entzückt, als er ihn verließ, und kündigte sogleich dem alten Vater Dantès an, er werde seinen Sohn bald wiedersehen.
    Villefort schickte aber diese Bittschrift nicht nach Paris, sondern ver-wahrte sie sorgfältig, denn während sie Dantès für die Gegenwart retten konnte, gefährdete sie ihn furchtbar für die Zukunft, falls ein Ereignis eintreten sollte, das die allgemeine Lage in Europa wahrscheinlich machte, nämlich eine zweite Restauration. Dantès blieb also gefangen, verloren in der Tiefe seines Kerkers; er hörte nichts von dem Sturz des Th
    rones Ludwigs XVIII., nichts von dem furcht-
    baren Zusammenkrachen des Kaiserreichs.
    Allein Villefort beobachtete alles mit einem wachsamen Auge, hörte alles mit einem aufmerksamen Ohr. Während dieses kurzen Wiedererstehens des Kaiserreichs, das man die Hundert Tage nennt, war Morrel zweimal zu Villefort gekommen und drang jedesmal in ihn wegen Dantès’ Freilassung; doch dieser beschwichtigte ihn jedesmal mit Versprechungen und Hoff nungen. Endlich kam es zur Schlacht bei Waterloo. Herr Morrel zeigte sich nicht wieder bei Villefort. Der Reeder hatte für seinen jungen Freund alles getan, was für ihn zu tun möglich gewesen war. Neue Versuche unter dieser zweiten Restauration unternehmen hieß sich selbst in Gefahr bringen. Ludwig XVIII. bestieg abermals den Th
    ron. Villefort, dem
    Marseille voll von Erinnerungen war, die ihm zu Gewissensbissen wurden, bewarb sich um die erledigte Stelle eines Staatsanwalts in Toulouse und erhielt sie auch. Vierzehn Tage nach dem Eintreff en an seinem neuen Wohnsitz heiratete er Fräulein Renée von Saint-Méran, deren Vater jetzt bei Hofe besser angeschrieben war als jemals.
    Danglars fühlte die ganze Wucht des Streiches, den er Dantès versetzt hatte. Als aber Napoleon nach Paris zurückgekehrt war und seine gebieterische und mächtige Stimme aufs neue erschallen ließ, bekam Danglars Furcht. Er glaubte in jedem Augenblick, daß Dantès zurückkommen und furchtbare Rache nehmen würde. Damals gestand er Herrn Morrel sein Verlangen, den Seedienst aufzugeben, und ließ sich durch ihn an einen spanischen Kaufmann empfehlen, bei dem er gegen Ende März, zehn oder zwölf Tage nach Napoleons Rückkehr, als Kommis eintrat. Er reiste also nach Madrid ab, und man hörte nichts mehr von ihm.
    Unterdessen rief der Kaiser alle waff enfähigen Männer zum letz-tenmal unter die Fahne. Ferdinand brach auf wie die andern; er verließ seine Hütte und Mercedes, gefoltert von dem schrecklichen Gedanken, daß mittlerweile sein Nebenbuhler zurückkommen und die heiraten werde, die er liebte. Mercedes war Ferdinand stets mit freundlicher Liebe zugetan gewesen, auch war sie ihm dankbar, daß er ihr in dieser schweren Zeit beigestanden hatte.
    »Mein Bruder«, sprach sie, indem sie ihm half, den Tornister zu schultern, »mein einziger Freund! Bewahre dich vor dem Tode, laß mich nicht allein in dieser Welt, wo ich weine und ganz vereinsamt bin, wenn du nicht bei mir bist!«
    Diese Worte, beim Abschied gesprochen, erweckten wieder die Hoff nung in Ferdinand, wenn Dantès nicht mehr zurückkehrte, könnte Mercedes doch einmal die Seine werden. Mercedes blieb allein auf dieser Erde, die ihr noch nie so öde vorgekommen war.
    Bald stand sie unter der brennenden Mittagssonne, unbeweglich, stumm wie eine Bildsäule, und starrte nach Marseille hin, bald saß sie am Rande des Ufers, horchte auf das Stöhnen des Meeres und fragte sich immer wieder, ob es denn nicht besser wäre, sich in den Abgrund zu stürzen, als unaufhörlich die Qualen einer hoff nungs-losen Erwartung zu leiden. Es fehlte Mercedes nicht an Mut, dieses Vorhaben auszuführen, doch kam ihr die Religion zu Hilfe und bewahrte sie vor Selbstmord.
    Der alte Dantès verlor die letzte Hoff nung beim Sturze des Kaisers.
    Fünf Monate nach der Trennung von seinem Sohn starb er in Mercedes’ Armen. Herr Morrel bestritt alle Kosten der Beerdigung und bezahlte auch die armseligen kleinen Schulden, die der Greis während seiner Krankheit gemacht hatte. Es bedurfte mehr als blo-
    ßer Wohltätigkeit, es bedurfte Mutes, um so zu handeln; der Süden stand in Flammen, und es war ein Verbrechen, dem

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