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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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die Gefangenen ein ausgezeichnetes Mittel, das freie Feld zu gewinnen, sobald sich nur eine Gelegenheit dazu fände, und bei einer so weiten Reise würde die Gelegenheit sich schon bieten.«
    »Das ist ein bekanntes Mittel«, sagte der Inspektor, »der Herr Abbé hat da nichts Neues erfunden.«
    Dann wandte er sich zum Abbé und sprach: »Ich habe Sie gefragt, ob Sie gute Kost bekommen.«
    »Mein Herr«, entgegnete Faria, »schwören Sie mir bei Christus, mich freizulassen, wenn ich die Wahrheit gesagt habe, und ich werde Ihnen die Stelle zeigen, wo der Schatz vergraben liegt.«
    »Haben Sie gute Kost?« wiederholte der Inspektor.
    »Sie wagen dabei nichts und sehen, daß ich mir dadurch keine Gelegenheit verschaff en will zu entfl iehen, da ich im Gefängnis bleibe, während Sie die Reise unternehmen.«
    »Sie antworten nicht auf meine Frage«, wiederholte der Inspektor mit Ungeduld.
    »Und Sie nicht auf meine Bitte«, rief der Abbé. »Seien Sie also verfl ucht wie die anderen Narren, die mir nicht glauben! Sie wollen mein Gold nicht, so werd’ ich es behalten; Sie verweigern mir die Freiheit, Gott wird sie mir schicken. Gehen Sie, ich habe nichts mehr zu sagen.«
    Der Abbé warf die Decke von sich, nahm wieder sein Stück Kalk, setzte sich in seinen Kreis und begann wieder zu zeichnen.
    »Was tut er da?« fragte der Inspektor.
    »Er berechnet seine Schätze«, erwiderte der Gouverneur.
    Faria antwortete auf diesen Spott mit einem Blick, in dem tiefste Verachtung lag. Die Besucher entfernten sich. Der Gefangenenwärter schloß hinter ihnen die Tür ab.
    »Er mag wirklich einige Schätze besessen haben«, sagte der Inspektor, während er die Treppe hinanstieg.
    »Oder er hat geträumt, sie besessen zu haben«, entgegnete der Gouverneur, »und tags darauf ist er als Narr erwacht.«
    So endete dieses Abenteuer für den Abbé Faria. Er blieb weiterhin Gefangener, und infolge dieses Besuchs vermehrte sich noch sein Ruf als Verrückter.
    In bezug auf Dantès hielt der Inspektor sein Wort.
    Als er in die Wohnung des Gouverneurs zurückkehrte, ließ er sich das Gefangenenregister vorlegen. Die Dantès betreff ende Eintragung lautete:
    »Edmund Dantès: Wütender Bonapartist; hat tätigen Anteil an der Rückkehr Napoleons von der Insel Elba genommen. – In größter Abge-schlossenheit und strengster Überwachung zu halten.«
    Diese Notiz war in anderer Handschrift und mit anderer Tinte als die übrigen Eintragungen im Register geschrieben, ein Beweis, daß sie nach der Einkerkerung Dantès’ hinzugefügt worden war.
    Die Anklage war zu bestimmt, als daß man hätte versuchen können, sie zu bestreiten. Der Inspektor schrieb deshalb unter die Klammer:
    »Nichts zu machen.«
    Dieser Besuch hatte Dantès neu belebt; seit er ins Gefängnis ein-geliefert war, hatte er vergessen, die Tage zu zählen; jetzt schrieb er mit einem von der Decke abgefallenen Stück Gips an die Mauer:
    ». Juli «. Und von da an machte er jeden Tag einen Strich, damit er das Zeitmaß nicht wieder verlöre.
    Tage verstrichen, dann Wochen, dann Monate; Dantès wartete immer noch. Er hatte zuerst den Termin seiner Freilassung auf vierzehn Tage festgesetzt. Als diese vierzehn Tage um waren, sagte er sich, daß der Inspektor sich unmöglich vor seiner Rückkehr nach Paris mit ihm befassen könne; die Rundreise könne vier bis acht Wochen dauern; er setzte den Termin also auf ein Vierteljahr fest. Als das Vierteljahr verstrichen war, bestimmte er ein halbes Jahr; aber das halbe Jahr verfl oß, und als er dann wieder nachrechnete, stellte es sich heraus, daß er zehn und einen halben Monat gewartet hatte.
    Während dieser Zeit hatte sich an seiner Lage nichts geändert, keine tröstende Nachricht war zu ihm gelangt; der Kerkermeister gab, wie gewöhnlich, auf Fragen keine Antwort. Dantès begann an seinen Sinnen zu zweifeln. Er glaubte schließlich, daß das, was er für Wirklichkeit gehalten hatte, nichts als eine Halluzination, daß der tröstende Engel, der zu ihm ins Gefängnis gekommen war, nur ein Traumbild gewesen sei.
    Nach einem Jahr wurde der Gouverneur nach der Festung Ham versetzt und nahm mehrere seiner Untergebenen, unter anderen auch den Kerkermeister Dantès’, mit. Es kam ein neuer Gouverneur, dem es zu lange dauerte, die Namen seiner Gefangenen ken-nenzulernen, und der sich nur deren Nummern vorlegen ließ. Das Gefängnis hatte fünfzig Zellen, und ihre Insassen wurden mit der Nummer der Zelle benannt, die sie

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