Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
Vom Netzwerk:
nichts Besonderes.
    »Gut«, sagte der Abbé, »es ist erst ein Viertel nach zwölf, und wir haben noch einige Stunden vor uns.«
    Dantès versuchte zu erforschen, an welcher Uhr der Abbé so genau die Zeit hatte ablesen können.
    »Sehen Sie diesen Lichtstrahl, der durch das Fenster fällt«, sagte der Abbé, »und sehen Sie die Linien, die ich da an der Mauer gezogen habe. Dank dieser Linien weiß ich die Stunde genauer, als wenn ich eine Uhr hätte. Denn eine Uhr geht oft falsch, während Sonne und Erde nie aus ihrer Bahn kommen.«
    »Ich möchte gern Ihre Werkzeuge sehen«, sagte er zu dem Abbé.
    Der Abbé ging nach dem Kamin und hob mit dem Meißel den Stein auf, der früher den Herd gebildet hatte und eine ziemlich tiefe Höhlung verbarg; in dieser Höhlung befanden sich alle Gegenstände, von denen er Dantès erzählt hatte.
    »Was wollen Sie zuerst sehen?« fragte er ihn.
    »Zeigen Sie mir Ihr großes Werk über Italien.«
    Faria zog aus seinem kostbaren Schrank drei oder vier Rollen Leinwand; es waren Streifen von etwa vier Zoll Breite und achtzehn Zoll Länge. Diese Streifen waren in einer Sprache beschrieben, die Dantès lesen konnte, denn das Werk war in italienischer Sprache abgefaßt, die Dantès als Provenzale verstand.
    »Sehen Sie«, sagte der Abbé, »das ist alles; vor etwa acht Tagen habe ich das Wort ›Ende‹ unter den achtundsechzigsten Streifen geschrieben. Zwei meiner Hemden und alles, was ich an Taschentüchern hatte, sind drauf gegangen; wenn ich jemals wieder frei werde und sich in Italien ein Drucker fi ndet, der mein Werk zu drucken wagt, ist mein Ruf gemacht.«
    Dann zeigte er dem jungen Mann seine Schreibfeder, die aus einem gespaltenen und zugespitzten Stück Fischknorpel bestand. Zum Schreiben band er sie mit einem Faden um ein dünnes Stäbchen.
    Dantès besah die Feder und suchte mit den Augen das Werkzeug, womit sie so vorzüglich hatte geschnitten werden können.
    »Ah, ja«, sagte Faria, »das Federmesser, nicht wahr? Das ist mein Meisterstück; ich habe es, ebenso wie dieses Messer hier, aus einem alten eisernen Leuchter gemacht.«
    Das Federmesser schnitt wie ein Rasiermesser. Das andere Messer hatte den Vorteil, daß es zugleich als Messer und Dolch benutzt werden konnte.
    Dantès prüfte die verschiedenen Gegenstände mit größter Aufmerksamkeit. »Jetzt wundere ich mich über eins«, sagte er, »daß die Tage Ihnen für diese ganze Arbeit genügt haben.«
    »Ich hatte die Nächte«, antwortete Faria.
    »Können Sie denn wie die Katzen im Dunkeln sehen?«
    »Nein; aber Gott hat dem Menschen Intelligenz gegeben, um der Unzulänglichkeit seiner Sinne zu Hilfe zu kommen; ich habe mir Licht verschaff t.«
    »Wie denn?«
    »Von dem Fleisch, das man bringt, trenne ich das Fett, schmelze es und bereite daraus eine Art festen Öles. Sehen Sie, da ist meine Kerze.«
    Und der Abbé zeigte Dantès eine Art Lämpchen, wie sie zu Illu-minationen dienen.
    »Aber woher nehmen Sie Feuer?«
    »Hier sind zwei Kiesel und angebrannte Leinwand.«
    »Aber Streichhölzchen?«
    »Ich habe eine Hautkrankheit vorgeschützt und Schwefel verlangt, den man mir gewährt hat.«
    Dantès legte die Gegenstände, die er in der Hand hielt, auf den Tisch und ließ, überwältigt von der Ausdauer und Kraft dieses Geistes, den Kopf sinken.
    »Das ist noch nicht alles«, fuhr Faria fort; »denn man darf nicht alle seine Schätze in ein einziges Versteck bringen; schließen wir dieses wieder.«
    Sie legten die Platte wieder an ihren Platz; der Abbé streute etwas Staub darauf, fuhr mit dem Fuße darüber, ging nach seinem Bett und rückte es ab.
    Hinter dem Kopfende, durch einen Stein verdeckt, der es fast vollständig verschloß, befand sich ein Loch und in diesem Loch eine Strickleiter von fünfundzwanzig bis dreißig Fuß Länge.
    Dantès prüfte sie; ihre Festigkeit war über jeden Zweifel erhaben.
    »Wer hat Ihnen die zu dieser wunderbaren Arbeit erforderliche Schnur geliefert?«
    »Zuerst einige Hemden, die ich hatte, dann meine Bettücher, die ich während meiner dreijährigen Gefangenschaft zu Fenestrelle ausfaserte. Als man mich nach dem Schloß If brachte, ist es mir gelungen, den ausgefaserten Stoff mitzunehmen; hier habe ich die Arbeit fortgesetzt.«
    »Bemerkte man denn aber nicht, daß Ihre Bettücher keinen Saum mehr hatten?«
    »Ich habe sie wieder gesäumt.«
    »Womit?«
    »Mit dieser Nadel.«
    Und der Abbé öff nete einen Fetzen seiner Kleidung und zeigte Dantès eine lange, spitze, noch

Weitere Kostenlose Bücher