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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Porto Ferrajo bis zum Schiff mit diesem Brief gemacht?«
    »Ich hatte ihn in der Hand.«
    »Als Sie den ›Pharao‹ bestiegen, konnte also jeder sehen, daß Sie einen Brief hatten?«
    »Jawohl.«
    »Danglars wie die übrigen?«
    »Danglars ebenso wie die übrigen.«
    »Jetzt merken Sie auf; rufen Sie alle Ihre Erinnerungen zurück.
    Erinnern Sie sich, in welchen Ausdrücken die Anzeige, der Sie zum Opfer fi elen, abgefaßt war?«
    Dantès sammelte sich einen Augenblick, dann wiederholte er die Anzeige wörtlich. Der Abbé zuckte die Schultern.
    »Es ist klar wie der Tag«, sagte er. »Sie müssen ein sehr naives und gutes Herz haben, daß Sie die Sache nicht sofort errieten.«
    »Sie glauben?« rief Dantès. »Oh, das wäre niederträchtig.«
    »Wie war die gewöhnliche Handschrift Danglars’?«
    »Eine schöne Kursivschrift.«
    »Und die Handschrift des anonymen Briefes?«
    »Eine verkehrt gerichtete.«
    Der Abbé lächelte.
    »Verstellt, nicht wahr?«
    »Sehr fl ott, um verstellt gewesen zu sein.«
    »Warten Sie«, sagte der Abbé.
    Er nahm seine Feder, tauchte sie in die Tinte und schrieb mit der linken Hand auf ein präpariertes Stück Leinwand die ersten Zeilen der Anzeige.
    Dantès fuhr zurück und sah den Abbé fast entsetzt an.
    »Oh, es ist erstaunlich«, rief er, »wie jene Handschrift dieser äh-nelte!«
    »Weil der Brief mit der linken Hand geschrieben war. Ich habe die Beobachtung gemacht, daß alle mit der linken Hand ausgeführten Schriften sich ähnlich sind. Nun zu der zweiten Frage: Hatte jemand ein Interesse daran, daß Sie Mercedes nicht heirateten?«
    »Ja, ein junger Mann, der sie liebte.«
    »Sein Name?«
    »Ferdinand.«
    »Wer war das?«
    »Ein Katalonier.«
    »Glauben Sie, daß dieser fähig gewesen wäre, den Brief zu schreiben?«
    »Nein, der hätte mir einen Messerstich gegeben, weiter nichts.«
    »Ja, das liegt in der spanischen Natur: ein Mord, ja, eine Gemein-heit, nein.«
    »Zudem«, fuhr Dantès fort, »wußte er alle in der Anzeige angege-benen Einzelheiten nicht.«
    »Sie hatten sie niemand mitgeteilt?«
    »Keinem Menschen.«
    »Auch nicht Ihrer Geliebten?«
    »Auch nicht meiner Braut.«
    »Es war Danglars.«
    »Oh, jetzt bin ich dessen gewiß.«
    »Warten Sie … Kannte Danglars den Ferdinand?«
    »Nein … doch … ich erinnere mich.«
    »Wessen?«
    »Zwei Tage vor meiner Hochzeit habe ich sie zusammen in der Laube des Vaters Pamphile sitzen sehen. Danglars war guter Laune, Ferdinand blaß und unruhig.«
    »Waren sie allein?«
    »Nein, es war ein dritter bei ihnen, ein Bekannter von mir, der sie jedenfalls miteinander bekannt gemacht hatte, ein Schneider namens Caderousse; aber dieser war schon betrunken. Warten Sie …
    warten Sie … Wie habe ich daran nicht gedacht? Auf dem Tisch, an dem sie tranken, war ein Tintenfaß, Papier und Federn. Oh, die Schändlichen! Die Schändlichen!«
    »Wollen Sie noch etwas wissen?« fragte der Abbé.
    »Ja, ja, da Sie alles ergründen. Ich will wissen, warum ich nur einmal verhört worden bin, warum keine Gerichtsverhandlung stattgefunden hat und ich ohne Urteil verdammt worden bin.«
    »Oh, das ist etwas schwieriger«, sagte der Abbé. »Die Justiz hat fi nstere und geheimnisvolle Wege, denen nicht so leicht nachzugehen ist. Das Bisherige war Kinderspiel; hier müssen Sie mir genaue-re Angaben machen.«
    »Fragen Sie mich, denn Sie sehen wahrhaftig klarer in meinem Leben als ich selbst.«
    »Wer hat Sie verhört? Der Erste Staatsanwalt, der Zweite Staatsanwalt oder der Untersuchungsrichter?«
    »Der Zweite Staatsanwalt.«
    »Jung oder alt?«
    »Jung, siebenundzwanzig oder achtundzwanzig Jahre.«
    »Gut; noch nicht korrumpiert, aber schon ehrgeizig«, sagte der Abbé. »Wie war sein Benehmen gegen Sie?«
    »Eher milde als streng.«
    »Haben Sie ihm alles erzählt?«
    »Jawohl.«
    »Und hat sich sein Benehmen im Laufe des Verhörs geändert?«
    »Einen Augenblick war es verändert, als er den Brief gelesen hatte, den ich überbringen sollte; er erschien wie niedergeschlagen von meinem Unglück.«
    »Von Ihrem Unglück?«
    »Ja.«
    »Und Sie sind sicher, daß ihm Ihr Unglück Sorgen machte?«
    »Er hat mir wenigstens einen großen Beweis seiner Teilnahme gegeben.«
    »Was für einen?«
    »Er hat das einzige Stück, das mich bloßstellen konnte, verbrannt.«
    »Welches? Die Anzeige?«
    »Nein, den Brief.«
    »Sind Sie dessen sicher?«
    »Es ist vor meinen Augen geschehen.«
    »Das ist etwas anderes; dieser Mann könnte ein größerer Verbrecher

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